BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Plenarprotokoll 18/22 18. Wahlperiode 19. 01. 05 22. Sitzung Mittwoch, 19. Januar 2005 Vorsitzende: Präsident Berndt Röder, (...) Ich komme damit zum Tagesordnungspunkt 43, Drucksache 18/1554, (Glocke) Antrag der GAL-Fraktion: Gesetz über die Gewährleistung des freien Zugangs zu Informationen für die Freie und Hansestadt Hamburg (Hamburgisches Informationsfreiheitsgesetz – HmbIFG). [Antrag der Fraktion der GAL: Gesetz über die Gewährleistung des freien Zugangs zu Informationen für die Freie und Hansestadt Hamburg (Hamburgisches Informationsfreiheitsgesetz – HmbIFG) – Drucksache 18/1554 –] Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 18/1604 ein Antrag der SPD-Fraktion vor. [Antrag der Fraktion der SPD: Ein Informationsfreiheitsgesetz für Hamburg – Drucksache 18/1604 –] Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Rechtsausschuss überweisen. Die GAL-Fraktion hat eine zusätzliche Überweisung an den Umweltausschuss beantragt. Wird das Wort gewünscht? (...) Präsident Berndt Röder: Das Wort erhält sodann der Abgeordnete van Vormizeele. Kai Voet van Vormizeele CDU: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will ausnahmsweise einmal mit einem Zitat anfangen, und zwar einem Zitat von Max Weber, der sich mit solchen Dingen schon reichlich frühzeitig beschäftigt hat. Ich finde, dass dieses Zitat hier gut passt. "Das Amtsgeheimnis ist eine spezifische Erfindung der Bürokratie und nichts wird von ihr mit solchem Fanatismus verteidigt, wie eben diese rein sachlich, nicht motivierbare Attitüde." (Beifall bei allen Fraktionen) Recht hat der Mann. Informationsfreiheit gehört zu den Menschenrechten. Sie ist nicht nur ein notwendiges Gegenstück zu dem Recht auf Meinungsäußerung, sondern unser höchstes Gericht hat schon sehr früh festgestellt, dass Informationsfreiheit ein selbstständiges, eigenständiges Grundrecht neben der Presse- und Meinungsfreiheit ist. Diesem wichtigen rechtsstaatlichen Grundsatz haben wir schon mit einer Reihe von Spezialgesetzen in den letzten Jahrzehnten Rechnung getragen. Allerdings kennt unsere Rechtsordnung bisher keinen allgemeinen Anspruch auf Auskunft, unabhängig vom jeweiligen konkreten Rechtsschutzbedürfnis. Dafür gab es bisher eine Reihe von guten Gründen, die man so oder so bewerten kann, aber wir leben heute in einem Zeitalter, das sich gerne selbst als Zeitalter der Kommunikation und Information nennt. Wir sind eine selbstbewusste Demokratie, die für den Bürger arbeitet und ihn nicht nur regiert. Zu diesem gewandelten Staatsverständnis gehört auch – und vielleicht sogar in ganz besonderem Maße – das Recht auf Auskunft über die Vorgänge in der öffentlichen Verwaltung. Hamburg steht für tiefgreifende Reformen der öffentlichen Verwaltung. Der Senat hat sich eine große, strukturelle Reform der hamburgischen Verwaltung vorgenommen und das gilt nicht nur für mehr Rechte und Kompetenzen für die Bezirke, wenn dies auch besonders wichtig ist, sondern auch für die Modernisierung der Verwaltung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung am 19. Januar 2005 1109 A C B D Modernes E-Government muss sich auch den Informationsbedürfnissen des einzelnen Bürgers offensiv gegenüberstellen. Wir sollten aber nicht den Fehler machen, ein Informationsfreiheitsgesetz oder, wie ich es eigentlich besser formulieren würde, ein Informationszugangsgesetz zum Allheilmittel für alle vermeintlichen Missstände der komplexen staatlichen Verwaltung machen zu wollen. Die Bekämpfung von Korruption mag ein positiver Nebenaspekt sein, doch gehe ich davon aus, dass ein potenzieller Täter nicht seine jeweiligen Zahlungseingänge in amtlichen Akten vermerken wird. Bei aller Begeisterung für dieses Mehr an Demokratie sollten wir nicht vergessen, in welchem Spannungsfeld sich ein allgemeiner Zugang zu öffentlichen Vorgängen bewegt. Zuerst zum Datenschutz: Der sozialdemokratische Bundesinnenminister hat bei der Amtseinführung des neuen Bundesdatenschutzbeauftragten auf den Konflikt zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit hingewiesen, der seiner Meinung nach nicht leicht zu lösen sein werde. Wir werden uns in unseren Ausschussberatungen Mühe geben müssen, diesen Konflikt so klein wie möglich zu halten beziehungsweise besser noch, ihn zu lösen. (Beifall bei Jörg Hamann CDU) Wir werden auch dafür Sorge tragen müssen, dass ein Aktenauskunftsrecht nicht die Verwaltung lahm legt. Wir wollen grundsätzlich weniger Bürokratie und nicht mehr langjährige Verfahren, die das serviceorientierte Handeln der öffentlichen Verwaltung konterkariert. Wir wollen auch nicht dem organisierten Missbrauch eines solchen wichtigen Rechts Vorschub leisten. Wie man aus einigen Bundesländern hören kann, die bereits seit längerer Zeit dieses Informationsfreiheitsgesetz eingeführt haben, ist zum Beispiel festzustellen, dass Scientology in besonderem Maße von diesem Informationsfreiheitsgesetz Gebrauch macht. Das ist eine Art von Missbrauch, die wir nicht wollen, und wir werden dafür Sorge tragen müssen, Mechanismen im Gesetz zu finden, die solchen Missbrauch frühzeitig einschränken. Aber um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Wir sind voll und ganz für dieses Gesetz und werden gemeinsam mit Ihnen diese Probleme lösen können. (Beifall bei Jörg Hamann CDU und Christian Maaß GAL) Nur müssen wir uns bei aller Euphorie dieser Probleme bewusst sein, damit wir in den Ausschussberatungen, die in den nächsten Wochen und Monaten anstehen werden, gründlich und intensiv die Probleme bereden können. Wir werden uns über die Erfahrungen der anderen Bundesländer schlau machen müssen. Wir werden auch mit den Kollegen im Bundestag reden, die am 17. Dezember, also vor wenigen Tagen, gerade erst angefangen haben, die Debatte um ein Bundesinformationsfreiheitsgesetz zu führen. Wir werden auch, mit Verlaub, neuere Entwicklungen in den letzten sechs Jahren berücksichtigen müssen, denn seitdem wir die ersten Gesetze in den Bundesländern eingeführt haben, gab es eine stetige Fortentwicklung. Hier gibt es gute und schlechte Erfahrungswerte und die werden wir uns allesamt anhören und berücksichtigen müssen. Wir werden – das sei gerne dem Kollegen Steffen gesagt – in den nächsten Wochen als CDU-Fraktion ein eigenes Gesetz hierzu einbringen und zum ersten Mal seit längerer Zeit in diesem Parlament den Idealfall haben, den ich durchaus sympathisch finde, dass drei Fraktionen drei Gesetzesvorhaben eingebracht haben und wir dann gemeinsam – da bin ich ganz sicher – konstruktiv, aber auch streitbar um die beste Lösung für dieses Gesetz miteinander kämpfen und auch ringen werden. Deshalb sei ganz eindeutig und neidlos der Dank und auch das Lob an die Kollegen der GAL ausgesprochen. Sie waren die ersten, die das hier vorgelegt haben. Ein Wort allerdings zu Ihrem kleinen Seitenhieb, Herr Kollege Steffen, der Senat habe so lange gebraucht: Die rotgrüne Bundesregierung hat vor sechs Jahren dieses Vorhaben in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Sie hat im letzten Koalitionsvertrag dieses Vorhaben wieder herausgestrichen, weil sie selbst gesehen hat, dass sie nicht mehr in der Lage ist, das zu schaffen. Die beiden Regierungsfraktionen in Berlin haben jetzt einen eigenen Entwurf eingereicht. Sie merken also daran, dass diese Materie in Bewegung ist, sie sozusagen ständig dynamisch neu zu überdenken ist und genau das werden wir gemeinsam tun. Ich bin sicher, dass wir im Rechtsausschuss zu diesem Bereich in den nächsten Monaten eine sachliche und zielorientierte Debatte führen werden und freue mich auf diese konstruktive Arbeit und hoffe – das sei mir zum Schluss erlaubt –, dass die Opposition mit diesem neuen Stil der konstruktiven Mitarbeit weitermacht. Dann, verehrte Kollegen von SPD und GAL, wären Sie endlich auf dem richtigen Weg der Besserung. – Vielen Dank. (Beifall bei der CDU – Dr. Willfried Maier GAL: Ha, ha, ha!)