Erneuerung – Gerechtigkeit – Nachhaltigkeit

Für ein wirtschaftlich starkes, soziales und ökologisches Deutschland. Für eine lebendige Demokratie
Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 16. Oktober 2002

VIII. Sicherheit, Toleranz und Demokratie

Rechts- und Innenpolitik

Freiheit, Sicherheit und Recht gehören zusammen. Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 6 EU-Grundrechte-Charta) in Deutschland, in Europa und weltweit. Sicherheitsgefühl und Schutz vor Übergriffen, vor Verbrechen und vor Terror steht allen zu – und nicht nur denjenigen, die sich privaten Schutz kaufen können. Wir setzen uns hierfür mit einem breiten Spektrum von Initiativen ein – von der geistig-politischen Auseinandersetzung und anderen Präventionsstrategien bis hin zur Ausschöpfung aller rechtsstaatlich verfügbaren Mittel für Polizei und Sicherheitsbehörden.

Die Förderung von Toleranz, die Achtung der Rechte von Minderheiten und die Selbstbestimmung der Menschen sind Leitziele unserer Politik. Wir gestalten Einwanderung, schützen Flüchtlinge und fördern Integration.

Demokratie lebt von Einmischung und gesellschaftlichem Engagement. Wir wollen die politischen Beteiligungsrechte erweitern, die Bürgerrechte ausbauen und gezielt Diskriminierungen beseitigen. Wir werden die Modernisierung des Staates mit dem Ziel der Entbürokratisierung, Bürgerfreundlichkeit und Transparenz fortsetzen. Wir stehen für eine moderne Form des Föderalismus mit klaren Regelungen von Verantwortung und Zuständigkeit.

Wir werden das Zuwanderungsgesetz zügig im Sinne seiner Zielsetzungen umsetzen und uns dafür einsetzen, dass die Anwendungshinweise und Verwaltungsvorschriften den humanitären Zielsetzungen und den neuen flüchtlingsrechtlichen Anerkennungskriterien des Gesetzes voll entsprechen. Zugleich werden wir dafür sorgen, dass die Ausreisepflicht von Nicht-Bleibeberechtigten konsequent durchgesetzt wird. Nach zwei Jahren werden wir gemeinsam die Erfahrungen mit dem Zuwanderungsgesetz auf der Grundlage eines Berichtes der Bundesregierung auswerten.

Unsere Integrationspolitik ist Querschnittspolitik. Zur Integrationspolitik gehört auch ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Wir werden die Anstrengungen fortsetzen, mit einer umfassenden Integrationspolitik die Fehler und Versäumnisse der sog. „Gastarbeiter-Ära“ zu korrigieren. Mit dem Zuwanderungsgesetz haben wir erstmals neu zuwandernden Ausländern und Aussiedlern gleichermaßen einen Anspruch auf die erforderlichen Sprach- und Orientierungskurse gegeben. Wir werden eine den Pflichten und Ansprüchen der Betroffenen entsprechende und bedürfnisgerechte Ausstattung der Kurse einschließlich Kinderbetreuung und sozialpädagogischer Begleitung gewährleisten. Darüber hinaus werden wir uns auch um die nachholende Integration von bereits in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten und von Ausländern mit humanitären Aufenthaltsrechten bemühen. Die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen, denen nach dem Zuwanderungsgesetz ein Aufenthaltsrecht zusteht, werden wir besonders fördern.

Wir werden prüfen, welche humanitären Vorschläge aus dem Bericht der Süssmuth-Kommission umgesetzt werden können. Zur Lösung humanitärer Einzelfälle (ca. 500 pro Jahr) kann der Bundesminister des Innern in Zusammenarbeit mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen Flüchtlinge aus dem Ausland aufnehmen.

Zur Abwehr von Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus werden wir die Handlungs- und Vorbeugungsstrategien für Toleranz und gegen Gewalt weiter ausbauen – unter anderem zum Beispiel im „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt" einschließlich der Programme Civitas, Xenos und Entimon.

Die Bundesregierung wird den Dialog mit den großen christlichen Kirchen sowie mit Juden und Muslimen fortführen und intensivieren. Den interkulturellen und interreligiösen Dialog verstehen wir als Teil der Integrationspolitik und der Politischen Bildung.

Der europäische Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts muss entsprechend den Beschlüssen von Tampere ausgebaut werden. Das umfasst auch die weitere Harmonisierung der europäischen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Wir setzen uns dafür ein, dass diese auf hohen menschen- und flüchtlingsrechtlichen Standards gründen. Die Zuwanderung in die EU muss sinnvoll gesteuert werden. Die europäische Polizeibehörde EUROPOL sollte zu einer mit Ermittlungsbefugnissen ausgestatteten Gemeinschaftseinrichtung ausgebaut werden. Parallel dazu wird der Aufbau der parlamentarischen und justiziellen Kontrolle sowie die Abschaffung der Immunität der EUROPOL-Bediensteten angestrebt. Die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität wird verstärkt.

Das Programm zur umfassenden Modernisierung der Bundesverwaltung werden wir fortführen, den bundesrechtlichen Normenbestand bereinigen und überflüssige Gesetze und Vorschriften aufheben. Den öffentlichen Dienst werden wir weiter flexibilisieren und den Bundesangestelltentarif und das Dienstrecht modernisieren. Wir werden den föderalistischen Staatsaufbau im Sinne einer neuen Verantwortungsteilung zwischen Bund und Ländern grundlegend überprüfen.

Wir werden das deutsche Unternehmensrecht einschließlich der Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern und der wirksamen Kontrolle der Unternehmensabschlüsse reformieren. Das deutsche Bilanzrecht muss im Hinblick auf internationale Standards überarbeitet werden.

Das Urheberrecht werden wir bezogen auf neue Technologien fortentwickeln.
Die Rechtsordnung muss die Wettbewerbsstellung kleiner Betriebe im Software-Bereich stärken. Open-Source-Produkte dürfen nicht benachteiligt werden.

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb werden wir im Hinblick auf Europatauglichkeit und effektiven Verbraucherschutz überarbeiten.

Durch eine Modernisierung des Versicherungsvertragsgesetzes wird der Schutz der Verbraucher auch im Privatversicherungsrecht verbessert. Auf der Basis bereits erlassener Gesetze festigt die Bundesregierung den Rechtsschutz der Verbraucher und baut ihn insbesondere durch besseren Anlegerschutz und Verbesserungen im Bauvertragsrecht aus.

Die Koalition wird ihre erfolgreiche Politik zur Wahrung der Inneren Sicherheit fortsetzen. Dies gilt für die Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität ebenso wie von Alltagskriminalität. Wir werden bis Mitte der Legislaturperiode die Evaluierung der Anti-Terror-Gesetzgebung (sog. Sicherheitspaket II) vornehmen.

Die Geheimdienste stehen bei der Bekämpfung des Terrorismus vor neuen, wichtigen Aufgaben und sind mit neuen Herausforderungen an die Modernisierung ihrer Arbeit konfrontiert. Die Bundesregierung wird Aufgaben, Struktur, Effektivität, Befugnisse und Kontrolle der Geheimdienste evaluieren und daraus die notwendigen Reformkonsequenzen ziehen. Zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit ist die umfassende Nutzung moderner Methoden zur Identitätssicherung und zur Aufklärung von Straftaten notwendig. In diesem Sinne werden wir moderne Methoden der Biometrie zur Identitätssicherung weiter entwickeln sowie die Nutzungsmöglichkeiten der DNA-Analyse im Ermittlungsverfahren verbessern. Den Schutz vor Sexualstraftaten werden wir weiter verbessern.

Wir werden die Sicherheit der Versorgungsinfrastruktur verstärken, insbesondere wo sie IT-abhängig ist.

In den Fällen, in denen jemand für das Gericht nachweisbar zur Aufklärung oder Verhinderung schwerer Straftaten beiträgt oder sonstige außergewöhnliche Strafmilderungsgründe vorliegen, werden wir die Möglichkeiten zur Strafmilderung erweitern.

Die Alltagskriminalität werden wir konsequent bekämpfen.

Die Maßnahmen zur Kriminalprävention werden wir intensivieren, insbesondere durch Kooperation von Staat und Wirtschaft im Rahmen des Deutschen Forums für Kriminalprävention, dessen Arbeit wir verstärkt unterstützen.

Wir werden die Korruption verstärkt bekämpfen. Die Zielsetzung, die wir mit der Gesetzesinitiative zur Einrichtung eines Korruptionsregisters verbinden, verfolgen wir weiter und prüfen im übrigen weitere konkrete Maßnahmen auf der Grundlage der Anti-Korruptions-Richtlinie der Bundesregierung.

Der Bundesgrenzschutz ist die Polizei des Bundes. Dies muss zukünftig auch in der Namensgebung deutlich werden. Eine Erweiterung seines Zuständigkeitsbereichs ist damit nicht verbunden.

Wir werden die Fußball-WM 2006 weiter vorbereiten und die Bewerbungen um weitere internationale Wettbewerbe des Spitzensports unterstützen (Handball-WM 2005, Olympische Sommerspiele 2012). Die Spitzensport-Förderung werden wir weiterführen. Das schließt die besonderen Trainingsbedingungen für Sportlerinnen und Sportler im Dienst des Bundesgrenzschutzes oder der Bundeswehr ein. Wir stärken den Behindertensport. Den „Goldenen Plan Ost“ werden wir verlängern.
Wir werden die Doping-Bekämpfung auf hohem Niveau fortsetzen.

Angesichts der wachsenden Gefahr von Naturkatastrophen werden wir ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schaffen und uns für eine verstärkte europäische Zusammenarbeit im Katastrophenschutz einsetzen.

Wir wollen die demokratische Teilhabe fördern und deshalb unser Ziel, Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene einzuführen, auf der Basis des Gesetzentwurfes der 14. Legislatur weiter verfolgen. Zur Unterstützung politischer Entscheidungsprozesse gehört die Nutzung des Internets für alle – als Teil der e-Demokratie. Diesem Ziel dient auch die Erprobung von Online-Wahlen unterhalb der staatlichen Wahlen.

Wir werden das Datenschutzrecht auf der Grundlage der Vorarbeiten der 14. Legislatur umfassend reformieren. Der Schutz der Daten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird erstmals in einem eigenen Gesetz verankert.

Die Verwaltung soll für die Bürgerinnen und Bürger transparenter werden. Deshalb bringen wir ein Informationsfreiheitsgesetz für die Bundesbehörden ein, das dem Grundsatz des freien Zugangs zu öffentlichen Daten und Akten Geltung verschafft. Wir wollen das Petitionsrecht, über die Lösung individueller Anliegen hinaus, zu einem politischen Mitwirkungsrecht der Bürgerinnen und Bürger ausgestalten.

Die drogen- und suchtbedingten Probleme unserer Gesellschaft müssen reduziert werden. Wir werden die präventive Drogenpolitik der letzten Jahre konsequent fortführen und dabei die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen.

Wir werden die gerichtlichen Verfahren an die neuen technologischen Entwicklungen anpassen und die Institutionen weiter modernisieren. Die Binnenstruktur der Justiz (Aufgaben der Richter, Rechtspfleger, Urkundsbeamten, Gerichtsvollzieher) sowie das Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) reformieren wir.

Wir ordnen das familiengerichtliche Verfahren neu. Den besonderen Teil des Strafgesetzbuches und das strafrechtliche Sanktionensystem (z. B. gemeinnützige Arbeit, Fahrverbot, Opferhilfe, Geldstrafe auf Bewährung) werden wir überarbeiten. Das Jugendstrafrecht, das Jugendstrafverfahrens- und Jugendstrafvollzugsrecht prüfen wir auf Veränderungsbedarf.

Wir werden die Telefonüberwachung überprüfen, insbesondere den Deliktkatalog in § 100a StPO und werden die entsprechenden Verfahren überarbeiten. Dazu werden wir unter anderem prüfen, ob die Anordnung der Telefonüberwachung dem Ermittlungsrichter vorbehalten werden soll und die Staatsanwaltschaft gegenüber dem Richter berichten muss.

Das Rechtsberatungsgesetz von 1935 soll den gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasst werden.

Wir werden die sozialen Komponenten im Betreuungsrecht stärken. Den Opferschutz bauen wir aus.

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird die Regierungskoalition das Lebenspartnerschaftsgesetz überarbeiten und ergänzen (Lebenspartnerschafts-Ergänzungsgesetz).

Auch der rechtliche Schutz für Menschen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften wird verbessert.

Diskriminierung aufgrund der genetischen Konstitution gilt es zu verhindern und das Recht auf Nichtwissen sicherzustellen. Im Rahmen eines Gentestgesetzes werden wir gewährleisten, dass Versicherungen oder Arbeitgeber nicht auf genetische Daten zugreifen können.

Die Regierungskoalition wird auf der Grundlage der Vorarbeiten aus der 14. Legislatur ein Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg bringen und die EU-Richtlinien hierzu umsetzen.

Wir setzen uns dafür ein, allen Opfern des Nationalsozialismus ein würdiges Gedenken zu bewahren. Parallel zur Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas sowie des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma soll an zentraler Stelle in Berlin auch ein Gedenkort für die homosexuellen Opfer des NS-Regimes entstehen.

Die Arbeit der Behörde der Bundesbeauftragten für die Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit. Der Bund bekennt sich zu seiner Verantwortung.


Bürgergesellschaft stärken

Bürgerschaftliches Engagement ist unverzichtbar für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Wir werden auch in Zukunft die Vielfalt des Engagements von Bürgerinnen und Bürgern in Vereinen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und anderen Organisationen in Ehrenämtern, Selbsthilfegruppen, Freiwilligendiensten und anderen Formen nach Kräften unterstützen. Wir werden auf der Grundlage der Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ prüfen, wie der gesetzliche Rahmen für die Freiwilligenarbeit weiter entwickelt werden kann und weitere Initiativen zur Verbesserung des freiwilligen Engagements starten.

Der Zivildienst als staatlicher Pflichtdienst wird zukünftig stärker als qualifizierender Lerndienst für junge Männer ausgestaltet. Dazu wird den Zivildienstleistenden im Rahmen ihres Dienstes ein breitgefächertes Qualifizierungsangebot in sozialen, ökologischen und politischen Themenfeldern angeboten werden. Die Einführungslehrgänge werden fortgeführt.

Die Bundesregierung wird sich weiterhin für die größtmögliche Gerechtigkeit und Gleichbehandlung zwischen Wehr- und Zivildienstleistenden einsetzen und sich bemühen, die Anzahl der Zivildienstplätze dem Wehrdienst anzugleichen.

Kultur ist elementare Voraussetzung einer offenen, gerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft. Sie wird für das Zusammenleben in einer sozial und ethnisch divergierenden Gesellschaft immer wichtiger. Dazu gehören auch die Förderung der kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen und die Öffnung für die Kulturen der Migranten und Migrantinnen. Die kulturellen Güter sind öffentliche Güter und müssen für alle zugänglich sein.

Das 1998 neu geschaffene Amt eines Staatsministers für Kultur und Medien hat sich bewährt. Es ist zum Impulsgeber, Ansprechpartner und Interessenvertreter der Kultur in Deutschland und Europa geworden.

Kulturpolitik ist mit dem Engagement der Zivilgesellschaft auf das Engste verbunden. Wo immer möglich sollte der Staat nicht selber handeln, sondern gesellschaftliche Einrichtungen mit den Aufgaben der Kulturverwaltung betrauen.

Ein Schwerpunkt bleibt die weitere Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur. Dazu gehört die stärkere Berücksichtigung der kulturellen Dimension der Gesetzgebung des Bundes und ggfs. von großen Planungsvorhaben (Kulturverträglichkeitsprüfung). Wir streben eine Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler an und werden die Idee eines modernen Künstlergemeinschaftsrechts („Alte Meister unterstützen junge Künstler“) verfolgen. Aufgrund der Tatsache, dass die Kommunen den Löwenanteil der Kulturausgaben leisten und immer schwerer leisten können, soll eine Enquete-Kommission zum Thema „Kultur in Deutschland“ unter Einbeziehung der Länder eingerichtet werden. Sie soll sich auch mit der sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen befassen.

Die Regierungskoalition steht zu ihrer Verantwortung für die Kulturlandschaft Berlins. Deshalb wird der Bund sein kulturelles Engagement für seine Hauptstadt erhalten und ausbauen. Die Bundesregierung wird auch weiterhin ihrer Verantwortung für den Kulturstandort Bundesstadt Bonn nachkommen.

Das Kulturförderprogramm für die Neuen Länder wird mit 30 Mio. € p.a. fortgeschrieben, die Förderung der „Leuchttürme“ wird fortgeführt. Für die im Blaubuch genannten Kultureinrichtungen wird ein Verstärkungsfonds (in Höhe von 3 Mio. €) eingerichtet, der sich an der Finanzierung von Projekten beteiligen kann (Ankäufe, Ausstellungen, Investitionen usw.).

Wir werden die mit den Ländern begonnenen Gespräche zur Systematisierung der Kulturförderung konstruktiv mit dem Ziel fortsetzen, eine klare Verantwortungsteilung im kooperativen Kulturföderalismus zu erreichen. Das Konzept der Bundesregierung zur Gedenkstättenarbeit bleibt Grundlage der Politik in diesem Bereich. An der Topographie des Terrors – an der auf 37 Mio. € gedeckelten Verwirklichung des Zumthor-Entwurfs – wird sich der Bund bis zu 50 % beteiligen. Der Bund wird sein Engagement bei Stätten des Weltkulturerbes verstärken.

Medienpolitik ist Gesellschafts-, Wirtschafts-, Kultur- und zugleich Europapolitik. Dabei geht es um die Garantie des öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten Rundfunks und seiner Weiterentwicklung auch im Internet, aber auch um die Sicherung eines chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugangs zu den neuen Medien. Diese Fragen werden zunehmend von europäischen Richtlinien und von Entscheidungen der EU-Kommission vorgeprägt. Dies gilt auch für das Urheberrecht und die Filmförderung.

Die Reform der Medien- und Kommunikationsordnung wird fortgesetzt, zunächst im Bereich des Datenschutzes (Einführung selbstregulativer Modelle). Zu prüfen bleibt, ob und in welcher Form eine institutionalisierte Plattform zur Koordination eingerichtet werden kann.

Es sind Instrumente der „regulierten Selbstregulierung“ aufzubauen, die zu einer Reduktion der Gewaltdarstellungen in allen Medien führen, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Medien berücksichtigt werden (z. B. Offlinemedien, Onlinemedien, Printmedien). Das Hauptaugenmerk beim Umgang mit Gewalt in den Medien sollte auf dem Ausbau der Medienerziehung von Kindern und Jugendlichen liegen, dessen Ziel der bewusste und verantwortliche Umgang mit den Medien ist.

Das Filmförderungsgesetz wird novelliert. Die Filmförderungsanstalt soll die zentrale Institution der kulturellen, wirtschaftlichen und exportorientierten Filmförderung werden. Die Abgaben – insbesondere der Fernsehanstalten – werden erhöht. Die kriteriengestützte Referenzförderung soll ausgebaut werden; sie soll die unabhängigen Produzenten stärken und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Films erhöhen. Um eine attraktive Beteiligung von Medienfonds an deutschen Produktionen zu ermöglichen, muss der Medienerlass entsprechend verändert werden.

Das Urheberrecht muss auch in einer digitalen Welt einen angemessenen Ausgleich zwischen Urhebern und Nutzern sicherstellen. Der freie Zugang zum Internet muss weitestgehend erhalten bleiben. Der Schutz vor Raubkopien muss verstärkt werden. Verwertungsgesellschaften, die Pauschalabgaben erhalten, soll ermöglicht werden, einen Teil der Einnahmen auch für die Förderung von Kunst und Kultur einzusetzen.

Die UNESCO-Konvention von 1970 bzw. das UNIDROIT-Übereinkommen von 1995 über gestohlene oder illegal ausgeführte Kulturgüter soll ratifiziert werden.

Der Mehrwertsteuersatz im Kulturbereich muss erhalten bleiben.

Das Deutsche-Welle-Gesetz wird novelliert, um die Möglichkeiten des Senders weiter zu verbessern, die Vielfalt unserer Gesellschaft sowie die Stellung, die Verantwortung und den Beitrag Deutschlands im globalen Entwicklungsprozess zielgruppengerecht vermitteln zu können. Dazu bedarf es insbesondere einer Konkretisierung des Programmauftrags.