Betreff: Menschenrecht Zugang zu amtlichen Informationen unbekannt bei deutscher Presse
Von: Walter Keim <walter.keim@gmail.com>
Datum: 23.08.2012 20:08
An: Stuttgarter Nachrichten (f.krause@stn.zgs.de, c.lepping@stn.zgs.de)
CC: Presserat (weyand@presserat.de)

Sehr geehrter Herr Krause,

ich wohne seit 30 Jahren in Skandinavien habe aber vor 2 Wochen Ferien im Schwabenland gemacht und in der Rems-Zeitung vom 9.8.2012 Ihren Kommentar "Unkontrolliert: Kontrolle beim Verfassungsschutz" gelesen.

In der Diskussion über verstärkte parlamentarische Kontrolle wird auf die Gefahr hingewiesen, dass vertrauliche "Erhebungen der Klassengröße an Grundschulen oder Ausweisungen des nächsten Hochwasserschutzgebietes" durch Volksvertreter an die Öffentlichkeit kommen könnten.

Aus Internationaler Perspektive gesehen, sind das Informationen, die Bürgern und der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen. Repräsentative Demokratie wird zum Witz, wenn diese Information auch Volksvertretern verweigert werden sollten.

Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist ein Menschenrecht gemäß Zivilpakt [Quelle 1, 4, 5] und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [Quelle 6] aufgrund der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EKMR) [Quelle 2], wird international als Voraussetzung für die Demokratie angesehen und ist wichtig im Kampf gegen Korruption. Die OSZE fördert das Menschenrecht des Informationszugangs [Quelle 3, 7].

Die drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Informationszugang ein Menschenrecht ist: [Quelle 3]:

„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."

Da das in der Öffentlichkeit verschwiegen wird, ist Deutschland auf diesen Gebiet der Transparenz und Korruptionsbekämpfung ein Schlusslicht:
  1. 84 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden [10, 11] d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/). Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben schlechtere Informationsfreiheitsgesetze.
  2. Mehr als 115 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern haben, d. h. 84% der Weltbevölkerung entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen. In 5 Bundesländern d. h. der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland fehlen generelle (über Verbraucherinformation und Umweltinformation hinausgehende) Informationsfreiheitsgesetze.
  3. Die UN Konvention gegen Korruption ist zwar in mehr als 161 Staaten mit mehr als 6,5 Milliarden Einwohnern ratifiziert, nicht aber von Deutschland.
  4. Der Bundestag verweigerte sich dem Vorschlag der Staatengruppe gegen Korruption GRECO des Europarates das Strafrechtsübereinkommen über Korruption SEV-Nr. : 173 und Zusatzprotokoll zu ratifizieren und die Transparenz der Parteienfinanzierung in Deutschland mit Hinweis auf Recommendation Rec(2003)4 zu verbessern. Im Bericht vom 29. Dezember 2011Greco RC-III (2011) 9E wird der 30. Juni 2012 als Frist gesetzt zu antworten [A]. Die Antwort der Bundesregierung vom 29. Juni 2012 zeigt, dass keine Fortschritte gemacht wurden [Quelle B, C].
  5. Deutschland ist das einzige Land in Europa, das weder die UN Konvention noch das Strafrechtsübereinkommen gegen Korruption ratifiziert hat [Quelle: http://www.lobbypedia.de/index.php/GRECO].
Diese peinliche Situation ist entstanden, da die Presse die Bürger und die Öffentlichkeit nicht über diese Defizite informiert [Quelle 8] und viele Bürger deshalb die CDU/CSU wählen, die als einzige große Partei in der zivilisierten Welt sich internationalen Normen des Informationszugangs und notwendiger Voraussetzung der Demokratie entzieht [Quelle 9] .

Eine Kopie geht an Frau Lepping bezüglich des Kommentars "Attraktiver Urnengang", in dem die Frage nach der Qualität der Politik der Volksvertreter gar nicht gestellt wird.

Ich möchte Sie auffordern sich mit diesen internationalen Normen bekannt zu machen um die Qualität Ihrer Argumentation zu verbessern und Leser über Bürgerrechte zu informieren. Dann wird Deutschland nicht mehr ein Schlusslicht sein.

MfG
--
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
Access to Information Baltic Sea NGO Forum: http://BSNF-ATI.tk/
Is it possible to enforce access to information in Bavaria?
http://wkeim.bplaced.net/files/enforce_access_to_information.html

Quellen:

  1. Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
  2. Zugang zu amtlichen Dokumenten in Europäischer Konvention für Menschenrechte: https://www.right2info.org/international-standards#section-5
  3. Gemeinsame Erklärung 2004 der drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
  4. "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm
  5. Klagen bei den VN gegen Staaten, die gegen das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten verstoßen: http://right2info.org/cases#section-6
  6. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: http://right2info.org/cases#section-2
  7. OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
  8. 27.07.2012: Offener Brief: Deutsche Presse größter Versager in der Welt beim Menschenrecht Informationszugang: http://wkeim.bplaced.net/files/120727pr.html
  9. 09.07.2012: Menschenrecht Informationszugang stärken: CDU/CSU ist das trojanische Pferd der Bürokratie im Parlament : http://wkeim.bplaced.net/files/120709bt.html
  10. Access to Information Laws: http://right2info.org/access-to-information-laws
  11. FOI Laws: Counts Vary Depending on Definitions: http://www.freedominfo.org/2011/10/foi-laws-counts-vary-slightly-depending-on-definitions/
Internet:
  1. 02.07.2007, GRECO Zweite Evaluierungsrunde. Nachtrag zum Umsetzungsbericht über Deutschland Greco RC-II (2007) 3E: http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/round2/GrecoRC2%282007%293_Germany_DE.pdf
  2. 29.07.2012, Bundesministerium der Justiz: Fortschrittsbericht Greco-RC-III (2011) 9E: http://wkeim.bplaced.net/files/120729bmj.pdf
  3. 17.07.2012: LobbyControl. Schwarz-Gelb weist europäische Forderungen nach mehr Transparenz zurück
  4. 09.08.2012: deutsche-mittelstands-nachrichten.de. Deutsche Industrie fordert von Regierung Kampf gegen Korruption
  5. Piratenpartei (5.10.12): Informationsfreiheitsgesetz – proaktives Veröffentlichen in Hamburg: http://www.piratenpartei.de/2012/10/05/informationsfreiheitsgesetz-proaktives-veroffentlichen-in-hamburg/