Betreff: "Grundrecht auf Informationszugang" (BT-Drs
        17/9724) 
      
    
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    
    ich beziehe mich auf die Debatte im Bundestag vom 25.5.2012
      Top 35 über den Vorschlag der Grünen "Grundrecht auf
    Informationszugang" (BT-Drs 17/9724).
    
    Die Begründung lautet: "Transparenz und Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu
    Informationen sind notwendige Voraussetzungen für die Meinungs- und
    Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger; notwendige Voraussetzungen
    (...für) einen modernen, lebendigen demokratischen Rechtsstaat."
    
    Nur die Linke unterstützte diesen Vorschlag, der von der CDU/CSU völlig
    abgelehnt wurde. Die SPD sah Verbesserungen des
    Informationsfreiheitsgesetzes wünschenswert, während die FDP den Vorschlag
    als überflüssig anzusehen schien, da schon das Informationsfreiheitsgesetz
    Akten "allgemein zugänglich" mache gemäß Artikel 5 Grundgesetz. 
    
    Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines
    Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den
    Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis
    auf OSZE, Zivilpakt und EGMR. Außerdem wird festgestellt, dass der
    Informationszugang eine Voraussetzung für alle demokratische Gesellschaften
    ist. (siehe Anlage 2:
    "International documents (...) state that access to information is a
      fundamental human right and an essential condition for all democratic
      societies.").
    
    Die "Evaluation des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des
    Bundes – Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG)" hat den
    Menschenrechtscharakter unterschlagen, obwohl er vorher mitgeteilt wurde (Anlage 1).
    
    In der Begründung wird erwähnt, dass die Verfassungen Belgiens, Finnlands
    und Schwedens (1766) das Prinzip der Öffentlichkeit von amtlichen Dokumenten
    und individuelle Informationsgrundrechte enthalten. Darüber hinaus haben im
    Ostseeraum dem "Meer der Informationsfreiheit"
    [8] Litauen
    (1992), Estland (1992), Russland (1993), Polen (2001) und Norwegen (2004)
    ebenfalls Bestimmungen in ihren Verfassungen über Verwaltungstransparenz.
    Andere europäische Staaten mit Informationszugang in Verfassungen sind:
    Portugal, Spanien, Belgien, Niederland, Tschechien, Ungarn, Slowenien,
    Rumänien, Bulgarien, Moldawien, FYR Mazedonien und Albanien. Island
    entwickelt in Zuge der Isländische
      Initiative zu modernen Medien ein ultramodernes
    Informationsfreiheitsgesetz.
    
    Während im Bundestag nur 2 Parteien mit weniger als einem Fünftel der
    Abgeordneten den Informationszugang als Grundrecht unterstützen, haben
    weltweit mehr als 50 Staaten [3]
    den Informationszugang in Verfassungen verankert, d. h. mehr als 2/3 der
    Abgeordneten dieser Staaten unterstützen das dort.
    
    Damit wird klar, warum 84
      Staaten mit ca. 5,5
      Milliarden [4, 5] Bürger, d. h. 78 % der Bewohner der Welt ein
    besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund haben ([6]
    http://www.rti-rating.org/country-data/).
    Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben schlechtere
    Informationsfreiheitsgesetze.
    
    Auch
      nach mehr als 230 Jahren Informationsfreiheit hat die schwedische
      Verwaltung ihren Widerstand
      nicht völlig aufgegeben.
      Das schwedische Parlament zieht daraus den Schluss, dass man streng sein
      muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich abgefasst, die Einsichtnahme
      des Ombudsmannes des Reichstags so streng und die Tradition so alt, dass
      diesem Widerstand im Ernstfall nicht nachgegeben wird". Wer die Machtfrage
      stellt, sollte sie beantwortet bekommen. In Deutschland wurden 6
    der 12 Informationsfreiheitsgesetze von Parlamenten vorgeschlagen und
    verabschiedet, weil die Regierung keinen Gesetzesvorschlag zustande brachte.
    Offenbar können Regierungen zu sehr von Interessen der Verwaltung dominiert
    sein, um Menschen- und Bürgerrechte zu vertreten.
    
    Die CDU/CSU trägt außerdem die Verantwortung dafür, dass in
      5 Bundesländern d. h. der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland generelle Informationsfreiheitsgesetze fehlen, die
      über den Anwendungsbereich von Verbraucherinformationsgesetz und
      Umweltinformationsgesetz hinausgehen. Mehr als 115
        Staaten ([7] https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9
      Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben
      entweder Informationszugangsgesetze oder entsprechende
      Verfassungsbestimmungen. 
    
    Die Aufgabe der Parlamente als Volksvertretern ist Menschenrechte,
    Bürgerrechte und Demokratie zu sichern. Die Verweigerung der CDU/CSU von
    Informationszugangsgesetzen in 5 Bundesländern, einer essentiellen
    Voraussetzung der Demokratie (Anlage 2, OSZE) zeigt, dass die CDU/CSU das
      trojanische Pferd der Bürokratie im Parlament ist. Die CDU/CSU ist
    unfähig das Volk, den Souverän der repräsentativen Demokratie zu vertreten.
    Eine solche Partei gibt es in keiner der demokratischen Staaten der
    zivilisierten Welt. Die Frage ist wie lange sich die CDU/CSU noch blamieren
    will.
    
      Mit freundlichen Grüßen
    
    --
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
Access to Information Baltic Sea NGO Forum: http://BSNF-ATI.tk/
Is it possible to enforce access to information in Bavaria?
http://wkeim.bplaced.net/files/enforce_access_to_information.html
 Anlagen:
    
      - 17.06.12: Evaluation des IFG des Bundes: http://wkeim.bplaced.net/files/120617foev.htm
       
      - OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO
        INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
 
      - CONSTITUTIONAL PROTECTIONS OF THE RIGHT TO INFORMATION: http://right2info.org/constitutional-protections-of-the-right-to
 
      -  Access to Information Laws: http://right2info.org/access-to-information-laws
 
      - FOI Laws: Counts Vary Depending on Definitions: http://www.freedominfo.org/2011/10/foi-laws-counts-vary-slightly-depending-on-definitions/
 
      - Right to Information Rating: http://www.rti-rating.org/country-data/
 
      - Right to Information Constitutional Provisions, Laws and Regulations:
        https://www.rti-rating.org/country-data/
 
      - 13.06.2012: Neue Rheinische Zeitung: 10. Ostsee-NGO Forum unterstützt
        Zugang zu amtlichen Informationen. Deutschland als Schlusslicht: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17885
       
    
    Weiterführung:
    
    
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        [Menschenrechtsverletzungen
in
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