Monica Broschard: Deutschlands Weg zur Informationsfreiheit – Entwicklungsgeschichte, Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes- und Länderebene. Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003
    
Anhang 5: Exkurs in die schwedische Verwaltungspraxis
Alle nachfolgenden Zitate
      entstammen der Quelle [Grüne Anhörung 1997]: Anhörung der Fraktion Bündnis
      90/Die Grünen am 26.08.1997 im Abgeordnetenhaus von Berlin (siehe
      Literaturverzeichnis im Hauptband).
      PER G AHRTON von den schwedischen Grünen und Abgeordneter im
      Europaparlament berichtete aus der schwedischen Verwaltungspraxis: "Durch
      die öffentliche Einsichtnahme erfolgt ein Ausgleich der Machtverhältnisse.
      Das Risiko einer willkürlichen Entscheidung oder eines fehlerhaften
      Beschlusses nimmt ab. Wenn unsere Behörden unter Einblick der
      Öffentlichkeit arbeiten, sehen sie sich auch einem größeren Druck
      ausgesetzt, effizient zu arbeiten." [Grüne Anhörung 1997, S. 5]. "[...] es
      ist unser Eindruck, daß die Behörden und Beamten sich gut darauf
      eingerichtet haben, so überwacht zu werden. Ich muss natürlich auch sagen,
      daß diese Möglichkeit nicht sehr von der Allgemeinheit genutzt wird."
      [Grüne Anhörung 1997, S. 9] "Es gibt keine Schlangen von Leuten vor den
      Büros, um Akteneinsicht zu fordern. [...] 99%
        der Leute, die dieses Recht benutzen, sind Journalisten." [Grüne
      Anhörung 1997, S. 28] "In Schweden können Journalisten jeden Morgen zu
      allen öffentlichen Ämtern gehen und alle ankommenden Briefe und Dokumente
      lesen. [...] Privatbriefe, natürlich, darf man nicht lesen." [Grüne
      Anhörung 1997, S. 8] In Schweden werde ein Verzeichnis aller Akten und
      Unterlagen geführt, mit Ausnahme von Privatpost, Diarium oder Tagebuch
      genannt. Im Verzeichnis müssen auch die von den Geheimhaltungsvorschriften
      betroffenen Unterlagen aufgeführt werden. Es sei zwar zulässig, den Inhalt
      einer Akte, nicht jedoch deren Existenz geheim zu halten [Grüne Anhörung
      1997, S. 6, S. 8]. Verstöße gegen die gesetzlichen Regelungen könnten
      einem Ombudsmann des Reichstages gemeldet werden. Ein
        Antrag müsse umgehend bearbeitet werden, in der Regel solle eine
        Antragsteller nach spätestens 24 Stunden einen Bescheid erhalten.
      Die Herausgabe müsse in jedem Einzelfalle neu geprüft werden [Grüne
      Anhörung 1997, S. 6]. "Solange ein Antrag präzise genug abgefaßt ist,
      spielt es keine Rolle, wie zeitraubend die Suche nach dem Material
      ausfällt, da die Aushändigung in jedem Fall erfolgen muß. Eine Gebühr für
      die Vorlage von Akten darf nicht erhoben werden." [Grüne Anhörung 1997, S.
      7] Es sei auch nicht gestattet, ein Register über die Antragsteller zu
      führen. Man müsse sich nicht identifizieren und es sei sogar verboten,
      Identifizierung zu fordern. Somit könne jede natürliche Person, ob Schwede
      oder nicht, Einsicht in Akten nehmen [Grüne Anhörung 1997, S. 10]. "Zur
      Förderung eines freien Meinungsaustausches und allseitiger Aufklärung soll
      jeder schwedische Staatsbürger ein Recht auf Einsicht in allgemeine Akten
      haben. So steht es im Gesetz über die Pressefreiheit." [Grüne Anhörung
      1997, S. 7] Er wies darauf hin, dass dieses Gesetz auch für Beamte gelte
      und die sogenannte Mitteilerfreiheit begründe. "Die Mitteilerfreiheit
      beinhaltet, dass öffentliche Beamte in Schweden immer mit Journalisten
      sprechen, Leserbriefe und Artikel abfassen dürfen, selbst wenn sie darin
      die eigene Behörde kritisieren. [...] Die Mitteilerfreiheit bedeutet, dass
      auch der einer Schweigepflicht Unterliegende unter bestimmten Umständen
      diese Schweigepflicht brechen darf. Dieses Recht gilt, wenn die
      Informationen an die Medien oder einen Schriftsteller gehen und
      veröffentlicht werden sollen. Die Herausgeber übernehmen die
      Verantwortlichkeit von dem Beamten, der diese geheimen Dokumente zur
      Information weitergibt, der damit die Schweigepflicht bricht." [Grüne
      Anhörung 1997, S. 7] "Es herrscht ein sogenanntes Nachforschungsverbot.
      [...] Also wenn der Chef einer Behörde etwas in der Zeitung liest, was ihm
      nicht gefällt, und er den Verdacht hat, daß einer seiner Beamten etwas
      veröffentlicht hat, darf er keine Nachforschungen anstellen." [Grüne
      Anhörung 1997, S. 8]. Er wies darauf hin, dass die schwedische Regierung
      in den EU-Verhandlungen versucht habe, das schwedische
      Informationsfreiheitsgesetz in den Vertrag einzuführen. Sie habe aber
      nicht den Versuch unternommen, auch die Mitteilerfreiheit einzuführen, da
      sie selbst der Ansicht war, "daß dieses Recht doch etwas exotisch ist"
      [Grüne Anhörung 1997, S. 8]. Er teilte mit, das die Grünen im
      Europaparlament vor hätten, das schwedische Öffentlichkeitsprinzip ohne
      die Mitteilerfreiheit einzuführen. Im Amsterdamer Vertrag sei die
      Akteneinsicht als Prinzip bereits festgehalten [Grüne Anhörung 1997, S.
      8].
      
    
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