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Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, 10.4.2009
Landtag des Saarlandes
Ausschuss für Eingaben
Postfach 10 18 33
D-66018 Saarbrücken
Kopie: Ministerpräsident Müller, Umweltminister Mörsdorf, Justizminister Vigener, CDU-Fraktion, SPD-Fraktion, FDP-Fraktion, Fraktion Bündnis 90/Grüne
Betreff: Petition Tgb. Nr. E 316/08: Vorschläge des Menschenrechtskommissars umsetzen und Judikative unabhängig machen und dem Gesetz unterwerfen. Wann wendet sich das Saarland von der durch Führererlass eingeführten Dienstaufsicht für Richter durch die Exekutive ab?
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Petition Tgb. Nr. E 316/08 Vorschläge des Menschenrechtskommissars umsetzen, öffentlich Bedienstete in Menschenrechten schulen, Judikative unabhängig machen und dem Gesetz unterwerfen wurde am 19.12.08 im Wesentlichen so beantwortet:
Ausschuss schließt sich der Stellungsnahme der Regierung an und erklärt die Petition für erledigt.
Damit werden sowohl die Vorschläge des Menschenrechtsbeauftragten des Europarates abgelehnt, als auch die Verwirklichung der unabhängigen, dem Gesetz unterworfenen Justiz. Mit der Dienstaufsicht der Richter durch die Exekutive setzt sich die Antwort überhaupt nicht auseinander. Bisher werden in Saarland die Richter von der Exekutive ausgewählt, angestellt und befördert, sowie der Dienstaufsicht der Exekutive unterstellt. Ein Richterwahlausschuss wie in 9 anderen Bundesländern fehlt.
Das Prinzip der Gewaltentrennung wird international als elementarer Bestandteil und Voraussetzung jeder Demokratie betrachtet.
Während beispielsweise der sächsische König noch die Freiheit von Dienstaufsicht bei Verwaltungsgerichten respektierte, war Hitler die Regelung des Kaiserreiches ohne Dienstaufsicht beim Umbau Deutschlands zum diktatorischen Führerstaat im Wege. So waren die Richter des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes von dessen Gründung im Jahre 1875 an von jeder Dienstaufsicht durch die Exekutive frei. Gleiches galt für das Sächsische Oberverwaltungsgericht. Sie verloren diese Freiheit durch § 7 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung vom 29.04.1941 zum Führer-Erlaß über die Errichtung des Reichsverwaltungsgerichtes (RGBl I S. 201: Erste DV = RGBl I S. 224). Von da an übte der Reichsminister des Innern die oberste Dienstaufsicht aus.
Anknüpfend an frühere Traditionen hat, um das Beispiel Sachsen hier erneut anzuführen, zwar die SPD-Fraktion im sächsischen Landtag dankenswerterweise einen Antrag (Drucksache 2/3969) im Sinne des Europäischen Raums der Freiheit vorgeschlagen, wurde aber von der CDU-Mehrheit niedergestimmt (48. Sitzung 12 Dezember 1996), die dem vom Führererlass ausgehenden Gedanken der Dienstaufsicht durch das Justizministerium folgte (Anlage L). Zusätzlich werden Richter vom Justizministerium angestellt und befördert.
Die im Jahre 1878 (Reichsjustizgesetze) strukturell antizipierte Vormundschaft der Exekutive über die in Angelegenheiten der Justiz sprachlos gehaltenen Richterinnen und Richter ist im heutigen (West- und Mittel-)Europa eine deutsche Besonderheit. Man hat ihr einen neuen Namen gegeben: "Gewaltenverschränkung". In Deutschland wurden aber keine drei Staatsgewalten miteinander "verschränkt"; es hätte sie erst einmal geben müssen. Die deutsche Justiz war im kaiserlichen Obrigkeitsstaat ein Teil des Geschäftsbereichs der Regierung und sie ist es geblieben. Nach 1918 wie vor 1918. Nach 1945 wie vor 1945. Nach 1949 (trotz Art.97 GG) wie vor 1949. Bis zum heutigen Tage.
Ein Bürger, der vor dem Verwaltungsgericht einen Rechtsstreit gegen die Regierung führt (siehe z.B. www.rechtsverweigerung.de/Chronologie7.html folgende), trifft im Saarland auf einen Richter, der von der Regierung ausgewählt, angestellt, befördert und der Dienstaufsicht unterliegt. Dieser Abhängigkeit widerspricht, dass "Richter unabhängig (sind) und nur dem Gesetz unterworfen" (Art. 97 (1) GG ), außerdem: Art. 6 der EKMR sowie die Praxis in fast allen anderen Staaten der EU. Zitat Paulus van Husen: "Daß man trotzdem von unabhängigen Gerichten spricht, ist einfach eine Verletzung der Wahrheit. Um so grotesker wirkt sich das alles bei den Verwaltungsgerichten aus. Der Kontrolleur ist wirtschaftlich völlig in der Hand des Kontrollierten. Der Kontrollierte sucht sich die Richter aus, hält sie durch Beförderungsaussichten und Dienstaufsichtsmittel in Atem, mißt ihnen jährlich die sachlichen Bedürfnisse zu."
Die Dienstaufsicht sieht in der Praxis dann so aus, dass der objektiv von der Exekutive abhängige Richter immer dann als "unabhängig" bezeichnet wird, wenn es gilt, die grundgesetzlich festgeschriebene Bindung an das Gesetz (Art.97 GG) aufzuheben. Die Exekutive greift dann nicht ein (Anlage L). Allerdings bekommen Richter Schwierigkeiten, falls sie die Gesetze zugunsten von Bürgern auslegen bzw. anwenden.
Besagte "Scheinunabhängigkeit" erinnert an den preußischen Justizminister Gerhard Adolf Leonhardt, der schon Ende des 19. Jahrhunderts sagte, dass Richter ruhig unabhängig sein können, solange er über deren Einstellung und Beförderung entscheiden könne (vgl. Hülle, DRiZ 1976, 18 f. sowie die Hinweise in DRiZ 1975, 341 f.). Bis heute ist dies im Wesentlichen so geblieben.
Das Resultat dieser -speziell auch im Hinblick auf personelle Auswahl- völlig von der Verwaltung abhängigen Richter wurde aufgrund von mehr als 1000 Zuschriften von verzweifelten Anwälten an die Zeitschrift für anwaltliche Praxis (ZAP) so beschrieben:
"Es gibt in der deutschen Justiz zu viele machtbesessene, besserwissende und leider auch unfähige Richter, denen beizukommen offenbar ausgeschlossen ist." (Dr. Egon Schneider, ehem. Richter am OLG, in ZAP 6/1999).
Auch die "Bamberger Erklärung" vom 21. Oktober 2007, verabschiedet im Rahmen des internationalen Symposiums "Deutsche Jugendämter und Europäische Menschenrechtskonvention" unter der Leitung von Annelise Oeschger, Präsidentin der Konferenz der Internationalen Nichtregierungs-Organisationen des Europarates (Anlage H: http://presseblog.blogger.de/stories/983762), stellt fest:
"Im Rahmen des Kinder- und Jugendschutzes in Deutschland, namentlich von Seiten der Jugendämter, kommt es zu Verletzungen der Menschenrechte, insbesondere der von Art. 3 (Verbot der Folter), Art. 6 (Recht auf ein faires Verfahren vor unabhängigen Gerichten), Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), Art. 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) und Art. 14 (Diskriminierungsverbot) der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte".
Die Präsidentin der NGO`s des Europarates sandte die Bamberger Erklärung an Marcin Libicki, Vorsitzender des Petitionsausschusses des Europäischen Parlamentes und an Thomas Hammarberg Kommissar für Menschenrechte des Europarates. (Anlage J: http://deutsche-jugendamt.blogspot.com/2007/11/bamberg-declaration-send-to-eu-and-coe.html)
Da dies, wie die Antwort des Landtages des Saarlandes dokumentiert, total ignoriert wird, wenden sich Betroffene an das Europäische Parlament. Dort sind schon mehr als 250 Petitionen anhängig.
Der Vorsitzende des Petitionsausschusses des Europäischen Parlamentes hat an die Familienministerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Ursula von der Leyen, einen Brief geschrieben (Anlage 2).
Im Europaparlament wird eine Entschließung diskutiert (Anlage 3), die Deutschland verurteilt.
Wann beschäftigt sich das Parlament im Saarland mit den Vorschlägen des Menschenrechtsbeauftragten des Europarates (Anlage A)? Wann werden familienrechtliche Probleme ernst genommen (Anlage K)? Wann wendet sich das Saarland von der durch Führererlass eingeführten Dienstaufsicht für Verwaltungsrichter ab?
Im Artikel 20 GG steht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" und die "vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden". Damit ist auch im Saarland eine Demokratie europäischen Typs möglich, wenn die Abgeordneten nur wollen und sich getrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Notizen: http://sites.google.com/site/walterkeim/de
Anlagen:
Antwort:
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[Familienrecht] [Petitionen] [Menschenrechtsverletzungen in Deutschland] [Patientenrechte in Europa] [Informationsfreiheit] [Homepage]
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Gewaltentrennung in Europa:
Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. FOIA= Freedom of Information Act (Informationsfreiheitsgesetz)