Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert".

UN, OSZE und OAS Sonderbeauftragte für den Schutz der Meinungsfreiheit 2004

 

Englishin English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/foi-de.htm

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Almbergskleiva 64
NO-6657 Rindal, den 4.6.2013

CSU Abgeordneter Stephan Mayer
Deutschen Bundestages
Platz der Republik 1
D-11011 Berlin

Kopie: CDU/CSU Bundestagsfraktion, Presse, Kanzleramt, Bundestagsfraktionen

CSU Hinterwäldler Stephan Mayer blamiert sich mit unsachlicher Polemik gegen Menschenrecht Informationszugang und zeigt damit, dass die CDU/CSU abgewählt gehört

Sehr geehrter Herr Mayer,

ich beziehe mich auf Ihre Aussagen: “Es bedarf keines Informationszugangsgrundrechts”, meint Stephan Mayer von der CDU/CSU-Fraktion. Der vor einem Jahr vorgelegte Evaluierungsbericht zeige, dass die Anfragen “überwiegend” von “Anwälten und Journalisten” kämen und “Partikularinteressen” dienten (Anlage A).

"Der CSU-Politiker möchte daher lieber über Fragen des Missbrauchs der Informationsfreiheit sprechen" (Anlage B).

Mayer warf der SPD einen "unzulässigen Generalverdacht gegen alle Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung" vor, als der SPD Vorschlag eines Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz (BT Drucksache 17/13467) diskutiert wurde (Anlage C). Aber wer nichts zu verbergen hat, kann offen und transparent sein. Dass die Evaluation das bestehende IFG als unzulänglich ansah, wurde verschwiegen.

Mehr als 125 Staaten mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern d. h. 84 % der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen. Das Menschenrecht des Informationszugangs wird international als Voraussetzung einer Demokratie anerkannt (siehe Quelle 1: "International documents (...) state that access to information is a fundamental human right and an essential condition for all democratic societies.").

Ihre Polemik ist also gegen ein international anerkanntes Menschenrecht gerichtet, das eine Voraussetzung der Demokratie ist.

Journalisten verfolgen keine Partikularinteressen sondern haben in der Demokratie den Auftrag als “4. Staatsmacht” die Machthaber zu kontrollieren und die Öffentlichkeit zu informieren. Das hat auch der Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Beschwerde Nr. 37374/05 TÁRSASÁG A SZABADSÁGJOGOKÉRT ./. Ungarn anerkannt: (http://merlin.obs.coe.int/iris/2009/7/article1). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat im Fall BverwG 6 A 2.12 einen Auskunftsanspruch der Presse gegen Bundesbehörden unmittelbar aus dem Grundgesetz abgeleitet.

In Norwegen sind Metadaten aller Dokumente der Staatsverwaltung in Internet zugänglich (unter Berücksichtigung des Datenschutzes). Der Antragsteller sucht und findet die Dokumentnummer. Die Verwaltung antwortet innerhalb 1 bis 3 Tagen. Es werden ca. 3 385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr bearbeitet (Anlage H). In Deutschland werden weniger als 4 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Offensichtlich kann behaupteter Missbrauch zugunsten Partikularinteressen zu keinen Einschränkungen der Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und Wahlrechts für unbescholtene Bürger führen. Warum sollte das beim Menschenrecht des Informationszugangs der Fall sein?

Sie vertreten Privilegien der Verwaltung aus vordemokratischen Zeiten, die in der zivilisierten Welt nicht mehr zeitgemäß sind und polemisieren gegen ein Bürger- und Menschenrechten der modernen Demokratie: Ein Trojanisches Pferd der Amtsschimmel und kein Volksvertreter. Ist es nicht peinlich genug, dass Deutschland der Schandfleck beim Informationszugang ist? Müssen Sie sich wirklich mit so unhaltbaren Hinterwäldler Argumenten blamieren? Eine Kopie geht auch an die CDU/CSU Fraktion mit der Frage, ob solche Niveaulosigkeit wirklich für CDU spricht.

Die Zehnte gemeinsame Erklärung der vier internationalen Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit (UN, OAS, OSCE, ACHPR) vom 3. Februar 2010 [2] stellt fest: 

Obwohl in den letzten zehn Jahren große Fortschritte bei der Anerkennung des Rechts auf Information erzielt wurden, bleibt hier - als vierte Herausforderung - noch viel zu tun... Viele Gesetze (zum Recht auf Information), die verabschiedet wurden, genügen den internationalen Mindeststandards nicht, und die Bemühungen, sie umzusetzen, sind in vielen Ländern zu gering.
International rangiert das IFG des Bundes auf einem der letzten Plätze: 88 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden (Anlage D) d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/). Das IFG des Bundes verfehlt internationale Mindeststandards.

Deshalb ist die Novellierung des IFG des Bundes notwendig um mit der internationalen Entwicklung Schritt zu halten.

Nur die CDU/CSU verweigert sich beim Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz, bei Open Data, Open Government und Korruptionsbekämpfung zeitgemäßen Lösungen:

In der Dissertation: "Rechtsvergleichung als Konfliktvergleich" wird das deutsche Informationsfreiheitsgesetz aus Perspektive des US-amerikanischen und finnischen Rechts evaluiert (Anlage E). Dabei wird die 3 Generationen Theorie entwickelt und das IFG des Bundes kritisiert:

(Es werden 3 Generationen von Gesetzen unterschieden.) Die erste Generation von Informationsfreiheitsgesetzen regelt lediglich das Recht auf Zugang zu Verwaltungsinformationen. In einem zweiten Schritt versuchen Gesetzgeber auf der ganzen Welt, den tatsächlichen Zugang zu verbessern. Die dritte Generation bringt diesen Paradigmenwechsel: Es ändern sich die Selbstwahrnehmung der Verwaltung wie die Erwartungen der Bürger an die Verwaltung. (Seite 359)

In Schweden wurde der Informationszugang zu amtlichen Dokumenten vor mehr als 240 Jahren (inspiriert von Chinas Tang Dynastie des 7. Jahrhunderts) "erfunden". In Deutschland beschrieb 1830 Carl Gustav Jochmann den Gedanken der Öffentlichkeit der Verwaltung. Leider wurden Demokraten damals als Demagogen verunglimpft und von der fürst- und königlichen Polizei als Umstürzler verfolgt. Andere Könige in Europa akzeptierten demokratische Rechte im Rahmen konstitutioneller Monarchien. Die (Welt-)Geschichte hat Jochmann Recht gegeben: Inzwischen haben mehr als 125 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen.

Trotzdem lassen sich Verwaltungen in aller Welt sich nicht gerne in die Karten schauen und versuchen deshalb die allgemeine Akteneinsicht zu erschweren. Dabei beziehe ich mich auch auf mehr als 240 Jahre Erfahrung mit der Informationsfreiheit in Schweden. Trotzdem hat die schwedische Verwaltung ihren Widerstand nicht aufgegeben. Das schwedische Parlament kommt zum Ergebnis, dass man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht nachgegeben wird".

So geht das heute in Skandinavien, das den Informationszugang zu amtlichen Dokumenten vor mehr als 240 Jahren entwickelte:

Sowohl das Hamburger Transparenzgesetz als auch der SPD Vorschlag "Informationsgesetz 2.0" (BT Drucksache 17/13467, 14. 05. 2013) enthalten Inhaltsverzeichnisse der veröffentlichten Dokumente. In Norwegen sind auch die Metadaten aller Dokumente staatlicher Verwaltungen seit 20 Jahren für Journalisten und seit 2 Jahren für alle Bürger zugänglich. Dies vereinfacht auch die Arbeit der Verwaltung sehr: Der Antragsteller findet selber die Dokumentnummer, die es der Verwaltung einfach macht eine schnelle kostenfreie elektronische Zusendung zu ermöglichen.

Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis auf OSZE, Zivilpakt und EGMR [1].

Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist ein Menschenrecht gemäß Zivilpakt [3, 6, 7] und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [8] aufgrund der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EKMR) [4], wird international als Voraussetzung für die Demokratie angesehen und ist wichtig im Kampf gegen Korruption.

Die drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist: [5]:

„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."
In Hamburg hat das Bündnis "Transparenz schafft Vertrauen" eine Volksinitiative auf den Weg gebracht, die von der Bürgerschaft weitgehend übernommen wurde und ein sehr fortschrittliches Transparenzgesetz mit proaktiven Veröffentlichungen durchgesetzte (Anlage J). Auch in NRW, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern gibt er ähnliche Bestrebungen für Transparenzgesetze.

Die Abwahl der CDU hat sowohl in Baden-Württemberg als auch in Niedersachsen den Informationszugang, Open Data und Open Government vorangebracht.

Die blamablen Wissenslücken und fehlenden Einsatz für demokratische Rechte und das Menschenrecht des Informationszugangs zeigen weshalb die CDU/CSU abzuwählen ist um zeitgemäße Informationsrechte, Open Data, Open Government und Korruptionsbekämpfung erreichen zu können.


Mit freundlichen Grüßen

--
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
UN Universal Periodic Review (UPR): http://wkeim.bplaced.net/files/foi-upr-de.htm
Will OSCE Support the Human Right of Access to Information in Germany by Commenting ATI Laws: http://t.co/GmQy9V0U

Quellen:
  1. OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
  2. Zehnte gemeinsame Erklärung der vier internationalen Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit (UN, OAS, OSCE, ACHPR) vom 3. Februar 2010: http://merlin.obs.coe.int/iris/2010/5/article1
  3. Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
  4. Zugang zu amtlichen Dokumenten in Europäischer Konvention für Menschenrechte: https://www.right2info.org/international-standards#section-5
  5. Gemeinsame Erklärung 2004 der drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
  6. "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm (Deutsch: http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1)
  7. Klagen bei den VN gegen Staaten, die gegen das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten verstoßen: http://right2info.org/cases#section-6
  8. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: http://right2info.org/cases#section-2

Anlagen im Internet:
  1. Stefan Krempl: Viel Kritik am Vorstoß der Grünen zu mehr Informationsfreiheit: http://www.informationsfreiheitsgesetz.net/blog/2012/05/26/viel-kritik-am-vorstos-der-grunen-zu-mehr-informationsfreiheit/
  2. Stefan Krempl: Informationsfreiheit nicht im Grundgesetz verankern: http://www.informationsfreiheitsgesetz.net/blog/2013/04/19/bundestag-will-informationsfreiheit-nicht-im-grundgesetz-verankern/
  3. Stefan Krempl (17.05.2013): SPD will Informationsfreiheitsgesetz straffen:  http://www.informationsfreiheitsgesetz.net/blog/2013/05/17/spd-will-informationsfreiheitsgesetz-straffen/ (Videoaufzeichnung)
  4. Access to Information Laws: http://right2info.org/access-to-information-laws
  5. Tobias Bräutigam, Rechtsvergleichung als Konfliktvergleich. Das deutsche Informationsfreiheitsgesetz aus Perspektive des US-amerikanischen und finnischen Rechts, Helsinki, im Oktober 2008: http://www.doria.fi/bitstream/handle/10024/42586/rechtsve.pdf?sequence=2
  6. German government screws up Open Data: http://opengovgermany.com/2013/02/04/german-government-screws-up-open-data/
  7. Gemeinsame Erklärung: Den Standard endlich auf “Offen” setzen!
     http://not-your-govdata.de/
  8. Kanzlerrichtlinie: Open Government Partnership beitreten: http://wkeim.bplaced.net/files/ogp1202klaeden.html
  9. Nicolas Fennen (29.05.2013): Peter Schaar: E-Government-Gesetz weist erhebliche Defizite auf: http://netzpolitik.org/2013/peter-schaar-e-government-gesetz-weist-erhebliche-defizite-auf/
  10. Hamburg "Transparenz schafft Vertrauen": http://www.transparenzgesetz.de/ 
  11. Electronic Public Records (OEP) Norway: http://www.oep.no/nettsted/fad/OM-OEP.html?lang=en
  12. 2011 Norwegen: 3 385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr: http://wkeim.bplaced.net/files/Norway_number_of_requests.html
  13. Monica Broschard: Deutschlands Weg zur Informationsfreiheit – Entwicklungsgeschichte, Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes- und Länderebene. Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003: ftp://ftp.zew.de/mbr/ma2003c-hauptband_zew.pdf
    Anhang 5: Exkurs in die schwedische Verwaltungspraxis in Monica Broschard: Deutschlands Weg zur Informationsfreiheit – Entwicklungsgeschichte, Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes- und Länderebene. Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003

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Anlage: Informationszugangsgesetze in Europa:

Informationszugang in Verfassung

Anlage: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

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