Zugang zu Information ist ein Teil der Meinungsfreiheit, zusammen mit einer aktiven Bürgerschaft - daher sind es Vorbedingungen für die Sicherung einer lebendigen und gut informierten Demokratie. NGOs fordern von den Regierungen internationale und nationale Standards zu respektieren und mit ihnen in Übereinstimmung zu handeln.
Die NGOs rufen die Staaten des Ostseerats dazu auf, die Umsetzung aller Menschenrechte - zivile, politische, ökonomische, soziale und kulturelle - zu einer obersten Priorität auf der politischen Tagesordnung zu machen.
Das 1. OSTSEE-NGO FORUM 2001


Englishin English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/foi-ngo.htm

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, 3. 5. 2012


Bundespräsident
Bundespräsidialamt
Spreeweg 1
D-10557 Berlin


Ostsee: Meer der Informationsfreiheit und Pressefreiheit?


English summary: Baltic Sea: Sea of Freedom of Information? In order to catch up with Baltic Sea countries Germany should improve the federal FOI law, adopt FOI laws in 5 federal states (Bundesländer), ratify CoE and UN conventions against corruption and improve transparency of funding of political parties (see weakness no. 2, 3, 4, 8, 34, 35 and 52 of National Integrity Report Transparency Germany). Doing this Germany will also catch up with the rest of Europe, America, OSCE, OECD, G20 and BRIC states.


Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

Ich beziehe mich auf Ihre Rede am 24.4.2012 zu den Ostseetagen: "Die Ostsee ist nicht länger ein Meer der Konfrontation, nicht länger Barriere. Sie kann ihrer Identität als Binnenmeer endlich gerecht werden. Das Baltische Meer ist ein Meer der Freiheit geworden". Ihre nächste Auslandsreise wird im Mai übers Meer führen - nach Schweden.

Als Teilnehmer des NGO Forums des Ostseerates habe ich Ihre Rede mit Interesse gehört. Ich bin Mitglied von Transparency Norwegen (geboren in Schwaben) und denke deshalb natürlich an die Forderung des NGO Forum des Ostseerates 2001 bezüglich Transparenz, Informationsfreiheit und Menschenrechte. Meine Untersuchung: "Die Rolle internationaler Gesetzgeber und ihr Einfluss auf die nationale Gesetzgebung über Informationszugang" (Anlage 2) zeigt, dass dem alle Ostseestaaten gefolgt sind, nur Deutschland hat Nachholbedarf.

Das 10. Ostsee-NGO Forum 2012 schlägt eine Ombudsstelle für Menschenrechte vor und unterstützt das Universal Periodic Review (UPR) Verfahren von Ostseestaaten beim Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen (Anlage 3).

Informationsfreiheitsgesetze d. h. Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung wurden vor mehr als 250 Jahren in Schweden erfunden. In Deutschland waren die Offenlegung der Stasi-Unterlagen 1990 (Gauck Behörde) und die Verfassung Brandenburgs 1992 die ersten Keimzellen für Informationsfreiheitsgesetze in Deutschland.

Während sich der Zugang zu amtlichen Dokumenten im Ostseeraum durchgesetzt hat, ist in Deutschland dieser Prozess noch nicht abgeschlossen.

Bei Informationsfreiheit, Transparenz und Antikorruptionsregeln kann Deutschland vom Ostseeraum lernen:
  1. 84 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden Bürger auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/). 
  2. Mehr als 115 Staaten (http://right2info.org/laws) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen. In 5 Bundesländern d. h. der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland fehlen generelle (über Verbraucherinformation und Umweltinformation hinausgehende) Informationsfreiheitsgesetze.
  3. Die UN Konvention gegen Korruption ist zwar in mehr als 158 Staaten (Stand 13.12.2011) mit mehr als 6,5 Milliarden Einwohnern ratifiziert, nicht aber von Deutschland [Quelle A].
  4. Der Bundestag verweigerte sich dem Vorschlag der Staatengruppe gegen Korruption GRECO des Europarates das Strafrechtsübereinkommen über Korruption SEV-Nr. : 173 und Zusatzprotokoll zu ratifizieren und die Transparenz der Parteienfinanzierung in Deutschland mit Hinweis auf Recommendation Rec(2003)4 zu verbessern [Quelle B, Quelle C].
  5. Deutschland ist das einzige Land in Europa, das weder die UN Konvention noch das Strafrechtsübereinkommen gegen Korruption ratifiziert hat [Quelle D: http://www.lobbypedia.de/index.php/GRECO].
Das hat auch Auswirkungen auf die Pressefreiheit. Deutschland ist auf Platz 16 im internationalen Vergleich. Das zeigt das aktuelle Pressefreiheits-Ranking (Quelle Q) von Reporter ohne Grenzen. Journalisten berichteten immer wieder davon, dass die Behörden ihre Anfragen gemäß Informationsfreiheitsgesetz verschleppen, sich sehr viel Zeit nehmen oder einfach gar nicht reagieren. Das ist laut Reporter ohne Grenzen der Grund warum Deutschland gegenüber vor allem nordeuropäischen Ländern in der ROG-Rangliste leicht abfalle. Ich schätze es, dass Sie den Zusammenhang zwischen Freiheit und Pressefreiheit so beschreiben: "Wer für die Freiheit ist, muss für die Pressefreiheit sein..."

51 Staaten sind der Open Government Partnership für transparente rechenschaftspflichtige Regierungen beigetreten. Die multilaterale OGP-Initiative möchte Regierungen dazu bringen, sich konkret zu verpflichten, transparenter zu arbeiten, die Bürger stärker einzubinden, Korruption zu bekämpfen und verstärkt neue Technologien zur Unterstützung der Regierungsarbeit einzusetzen. Obwohl Deutschland noch mehr als die anderen 51 teilnehmenden Staaten Hilfe für mehr Transparenz nötig hätte, nimmt Deutschland nicht teil.

GRECO konkludiert am 29. Dezember 2011 im Bericht Greco RC-III (2011) 9E, dass nur 4 von 20 Empfehlungen der "Third Round Evaluation Report" umgesetzt wurden (Quelle 3). Deutschland muss bis zum 30. Juni 2012 antworten, was geplant ist.

Deutschland muss, um zu den Nachbarn des Ostseeraums aufzuschließen, Informationsfreiheitsgesetze in allen Bundesländern verabschieden, das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes verbessern, Nebentätigkeiten der Abgeordneten transparenter machen und die Konventionen gegen Korruption des Europarates und der Vereinten Nationen ratifizieren sowie die Transparenz der Parteienfinanzierung verbessern (Siehe Forderungen 2, 3, 4, 8, 34, 35 und 52 ff. des Nationalen Integritätsbericht Deutschland von Transparency Deutschland, Quelle K). Damit kann Deutschland auch zu Europa, der OECD und den BRICS-Staaten aufzuschließen. Das Menschenrecht des Zugangs zu Informationen der öffentlichen Verwaltung ist eine Voraussetzung der Demokratie und fehlt in 5 Bundesländern, beziehungsweise folgt nicht internationalen Standards maximaler Offenheit im Bund. Wann werden Hessen, BayernNiedersachsen, Baden-Württemberg (Innenminister) und Sachsen Informationsfreiheitsgesetze verabschieden?

Da die Presse leider fast gar nichts darüber berichtet, habe ich am 22.2.2012 selbst in der Neuen Rheinischen Zeitung darüber geschrieben.

Die UN, OSZE und AOS Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist: [Quelle I]:

„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."

Dies wird auch im "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt) Punkt 18 bestätigt [Quelle J].

Das Menschenrechtskomitee der UNO (UN Human Rights Committee) entschied dass Artikel 19 (2) des Zivilpaktes ein individuelles Recht von Individuen und Presse enthält, behördliche Informationen zu bekommen, ohne ein berechtigtes Interesse nachzuweisen (z. B. Beschwerde Nr. 1470/2006 Toktankunov v. Kyrgyzstan, Quelle L).

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Artikel 10 des EMRK hat sich weiterentwickelt und umfasst den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung für Presse, NGOs, "watchdogs" und Historiker [Quelle M].

Der Menschenrechtskommissar des Europarates hat unter anderem vorgeschlagen, Verwaltung und Justiz in internationalem (Menschen-)Recht zu schulen [Quelle E]. Die Weigerung Bayerns das Menschenrecht des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung auch nur zu erwägen [Quelle F], unterstreicht wie richtig dieser Vorschlag ist.

Der 6. Staatenbericht Deutschlands CCPR/C/DEU/6 gemäß Zivilpakt wird im Juli 2003 behandelt. Ostsee-NGOs signalisierten auf dem 10. Ostsee-NGO Forum die Bereitschaft bei der Behandlung und Prüfung des Deutschen Staatenberichts beizustehen. Außerdem wurde die Schaffung eines Ombudsmannes für Menschenrechts vorgeschlagen [3].

Wie kann die Freiheit der Ostsee mit Leben erfüllt werden? Sollte die "Ostseeerfindung" Informationsfreiheit Deutschland bereichern, die Pressefreiheit verbessern um auch hierzulande eine lebendige und gut informierten Demokratie zu verwirklichen?

Mit freundlichen Grüßen

Walter Keim

Kopie: Deutsches Institut für Menschenrechte, Menschenrechtszentrum, BMJ, Lehrstuhl für Menschenrechtsbildung,  Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Neue Rheinische Zeitung

Anlagen:

  1. Das 1. OSTSEE-NGO FORUM 2001: http://www.cbss-ngo.de/luebeck.html
  2. Die Rolle internationaler Gesetzgeber und ihr Einfluss auf die nationale Gesetzgebung über Informationszugang: http://wkeim.bplaced.net/files/IZ-BSNF.html
  3. X. Baltic Sea NGO Forum “Social Capital for a sustainable Baltic Sea Region” 23–25 April 2012 in Berlin Final Statement
    WS III: Human rights: http://www.bsngoforum.org/files/Final_statement.pdf
    1. We urge the CBSS to create an Ombudsman for Human Rights.
    2. In each country of the Baltic Sea Region, there shall be installed independent national Human Rights Institutes according to the Paris principles.
    3. The workshop recommends that the Baltic Sea NGO Network oversee the implementation of the Universal Periodic Review (UPR) process in each country of all the CBSS member states.
    4. The workshop urges the CBSS to find new forums to promote dialogue on migration, women’´s rights, and to raise awareness on men’´s violence against women.

Antwort:


Ergebnis:


Quellen im Internet publiziert:

  1. http://de.wikipedia.org/wiki/UNCAC: Zur Zeit (13.12.2011) haben 158 Staaten das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) ratifiziert, nicht aber Deutschland, wegen ungenügender Regelung der Abgeordnetenbestechung 
  2. GRECO Third Evaluation Round (launched in 2007): http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/round3/ReportsRound3_en.asp
  3. 4. Dezember 2009, Evaluierungsbericht über Deutschland zur Kriminalisierung der Korruption (SEV Nrn. 173 und 191, Leitlinie 2): http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/round3/GrecoEval3(2009)3_Germany_One_DE.pdf
  4. Lobbypedia - GRECO: http://www.lobbypedia.de/index.php/GRECO
  5. Bericht CommDH(2007)14 des Menschenrechtskommissars Thomas Hammarberg über seinen Besuch in Deutschland 9. – 11. und 15. – 20. Oktober 2006: http://wkeim.bplaced.net/files/Bericht-des-Menschenrechtskommissars.html  Richter und Verwaltung in Menschenrechten schulen.
  6. 13.12.2010: Bayern verweigert die Akteneinsicht in die Begründung der Ablehnung der Vorschläge des Menschenrechtskommissars: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-einsicht.htm
  7. heise.de: Verabschiedet sich Deutschland vom Informationsfreiheitsgesetz? http://www.heise.de/tp/deutsch/special/frei/12314/1.html
  8. heise.de: Bananenrepublik Deutschland: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/12/12689/1.html
  9. 21. Dezember 2004: Gemeinsame Erklärung der drei Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit  UN, OSCE und OAS: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
  10. "General Comment No. 34 on Article 19 of  the ICCPR" (Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm
  11. Transparency Deutschland: 84 Forderungen für eine integere Republik: http://www.transparency.de/?id=2030
  12. UN Human Rights Committee decisions: http://right2info.org/cases#section-6
  13. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Artikel 10 des EMRK: http://right2info.org/cases#section-2
  14. 29. December 2011 in report Greco RC-III (2011) 9E: http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/round3/GrecoRC3%282011%299_Germany_EN.pdf
  15. 24.04.2012: Die Rolle internationaler Gesetzgeber und ihr Einfluss auf die nationale Gesetzgebung über Informationszugang (PowerPoint, pdf)
  16. 15.04.2012: Wie kann das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten juristisch durchgesetzt werden?
  17. 20zwoelf.de: Pressefreiheit in Deutschland? Ja, aber... http://20zwoelf.de/static,DeutschlandaufPlatz17_de.htm
  18. 17.05.2012: Wird die Parlamentarische Versammlung des Europarates helfen: http://wkeim.bplaced.net/files/pace1202.htm
     

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