„Zugang zu
Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das
auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung
gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen
Offenlegung basiert".
UN, OSZE und OAS Sonderbeauftragte für den
Schutz der Meinungsfreiheit 2004
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 17.6.2012 [später ergänzt]
Institut
für
Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer Freiherr-vom-Stein-Straße 2 D - 67346 Speyer |
Innenausschuss Bundestag Platz der Republik 1 D-11011 Berlin |
Kopie: Innenministerium
BaWü, Berichterstatter Bundestag
Betreff: Evaluation des IFG des Bundes: Wie objektiv und wissenschaftlich ist die Rechtswissenschaft?
Zusammenfassung: Die Evaluation lässt wesentliche Tatsachen weg: ca. 5,5 Milliarden Menschen, d. h. mehr als 78% der Weltbevölkerung haben bessere Informationszugangsgesetze als Deutsche im Bund (Beweis: Anlage A, B, G). Der Informationszugang zu amtlichen Dokumenten ist seit 2011 zweifelsfrei ein Menschenrecht des Zivilpaktes (Beweis: Anlage 3, 5). Diese beweisbaren Tatsachen wurden unterschlagen, obwohl sie am 17.11.2011 dem Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation mitgeteilt wurde (Anlage 1).
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beziehe mich auf das Projekt: "Evaluation des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes – Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG)" (=Evaluation, Anlage 2), das laut Beschreibung auch im "Zusammenhang mit Entwicklungen auf europäischer und internationaler Ebene zu sehen" ist. Diese Projekt wurde am 22.5.2012 abgeschlossen.
Am 17.11.2011 (Anlage 1) wurde das Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer über den Standpunkt internationaler Organisationen zur Demokratie- und Menschenrechtsperspektive des Informationszugangs informiert. [Der Menschenrechtscharakter des Zugangs zu amtlichen Informationen wurde z. B. anhand des "General Comment No. 34" des Zivilpaktes der Vereinten Nationen dokumentiert. Auch auf die Tatsache. dass ca. 5,5 Milliarden Menschen, d. h. mehr als 78% der Weltbevölkerung bessere Informationszugangsrechte als Deutsche im Bund haben wurde dokumentiert.]
Akteneinsicht wurde erst am 20.6.2012 gewährt, obwohl die Evaluation das Datum 22.5.2012 trägt. Der Bericht wurde schon am 13.6.2012 im Innenausschuss in nichtöffentlicher Sitzung unter Punkt 20a behandelt.
[Auf Seite 42 wird die CDU/CSU (BT-Drs.
15/5606, S. 6.) zitiert: "Zu beachten ist bei der Rechtsvergleichung, dass
die Erfahrungen anderer Staaten mit einem Informationsfreiheitsgesetz
wegen der völlig anderen Rechtskultur und Rechtsgeschichte nicht ohne
weiteres auf Deutschland übertragbar sind". Es ist die CDU/CSU die die
Verantwortung dafür trägt, dass Deutschland international ein Schandfleck
ist. Sie hat gegen dieses IFG des Bundes gestimmt und ist verantwortlich,
dass es in 5 Bundesländern kein IFG gibt. International ist es
einzigartig, dass eine große konservative Partei gegen den
Informationszugang ist. Hier ist die CDU/CSU ein Schandfleck in der
internationalen Parteienlandschaft. Es gibt im deutschen
Verfassungsrecht weder Vorbehalte gegen Demokratie (Art.
20 (2) GG), Menschenrechte (Art.
1 (2) GG ) oder Rechtsstaat (Art.
19 GG), die dem Informationszugang entgegen stehen. Das aufgrund von
EU Direktiven eingeführte Umweltinformationsgesetz hat bessere
Einsichtsrechte als das IFG. Mit welche "Rechtskultur" ist
Informationszugang eigentlich schwer vereinbar? Bietet die CDU/CSU die
Gewähr sich jederzeit für die "unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des
Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt" (Art.
1 GG) einzusetzen?]
Die internationale Perspektive der Evaluation des IFG begrenzt sich auf Schweden, USA, Österreich, Republik Korea und die Schweiz.
Auf Seite 41 wird erwähnt, dass "Österreich in
einem internationalen Vergleich von 89 Staaten den letzten Rang belegte"
(Fußnote 25: http://www.rti-rating.org/country-data/).
Allerdings wird nicht erwähnt, dass Deutschland darin den 85. Platz belegt
und der Rang aussagt, wie "gut" internationale Standards des
Informationszugangs gefolgt wird. Nur Jordanien, Liechtenstein,
Griechenland und Österreich haben schlechteren Informationszugang als
Deutschland. Diese 89 Staaten haben eine Bevölkerung von 5,5 Milliarden
Menschen (Anlage
A), d. h. mehr als 78 % der Weltbevölkerung haben
ein besseren Informationszugang als Deutsche im Bund. Die Evaluation setzt
sich überhaupt nicht mit den dahinter liegenden internationalen Standards
auseinander.
Ca. 50 Staaten haben den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung in der Verfassung verankert. Mehr als 115 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetz oder entsprechende Verfassungsbestimmungen. International ist unbestritten, dass es sich dabei um eine Voraussetzung von Demokratie handelt.
Auf Seite 47 der Evaluation wird
die Menschenrechtsfrage so abgetan: "Das universelle Vertragsvölkerrecht
(UN-Charta, AEM und IPbpR) enthält keine Pflicht zur Gewährleistung des
Zugangs zu amtlichen Dokumenten." mit Hinweis auf die Veröffentlichung
"Prinzhorn, Christina: Der Grundsatz des öffentlichen Zugangs zu
amtlichen Dokumenten aus der Perspektive des internationalen Rechts,
materiell-rechtliche Vorgaben durch das internationale Recht für
Informationszugangsrechte in den nationalen Rechtsordnungen Europas,
2009." Dies scheint auf der Magisterarbeit aus dem Jahre 2006
zu beruhen "The
Principle of Public Access to Official Documents - Implications from
International Law concerning the Implementation within the National
Legal Systems of the Member States of the European Union" in der
jedoch differenziert die Frage des Menschenrechtscharakters des Zugangs zu
amtlichen Dokumenten diskutiert wird, beim Zivilpakt ausgehend von der
Situation 1966. Der Verfasser wurde auf
den neuesten Stand hingewiesen.
[Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis auf OSZE, Zivilpakt und EGMR. Außerdem wird festgestellt, dass der Informationszugang eine Voraussetzung für alle demokratische Gesellschaften ist. (siehe Anlage 7: "International documents (...) state that access to information is a fundamental human right and an essential condition for all democratic societies.") ]
Dabei setzt sich diese
Darstellung nicht mit neueren Entwicklungen auseinander, die am
17.11.2011 (Anlage 1) zugänglich gemacht wurden:
Die UN, OSZE und AOS in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004 bestätigen, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist: (Anlage C):
„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."
Dies wird auch im "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" 2011 (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt) bestätigt (Anlage D):
Das Menschenrechtskomitee der UNO (UN Human Rights Committee) entschied dass Artikel 19 (3) des Zivilpaktes ein individuelles Recht von Individuen und Presse enthält, behördliche Informationen zu bekommen, ohne ein berechtigtes Interesse nachzuweisen (z. B. Beschwerde Nr. 1470/2006 Toktankunov v. Kyrgyzstan, Anlage 5).
Seite 46 der Evaluation steht: "Jedoch gewährleistet Art. 10 EMRK weder
ein individuelles Zugangsrecht zu amtlichen Informationen noch eine
Pflicht zur staatlichen Publikumsinformation". Damit wird die neuesten
Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte ignoriert (Anlage 4, 6):
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) hat sich weiterentwickelt und umfasst den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung für "watchdogs" Funktion und Rolle wie Presse, NGOs und Historiker: (Anlage 4, 6):
Aufschlussreich ist es die Anzahl der Anträge
international zu vergleichen. Während in Norwegen mehr als 1200 Anträge
pro 100 000 Einwohner bearbeitet werden sind es weniger als 2
in Deutschland. (Anlage
E: The A6 list). Dabei publiziert die norwegische staatliche
Verwaltung die (seit Jahrhunderten vorhandene) Postliste im Internet und
es gibt eine Suchmöglichkeit, die den Antragsteller die Dokumentnummer
zugänglich macht, die dann elektronisch bestellt und beantwortet wird (Anlage
N). Unverzüglich wird in Norwegen so praktiziert, dass die
Verwaltung in der Regel innerhalb von 1 bis 3 Tagen antwortet. Wenn
innerhalb von 5 Arbeitstagen keine Antwort vorliegt, kann das als
Ablehnung verstanden werden, gegen die geklagt werden kann (§
32 Norwegisches Gesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung). In
Schweden muss ein Antrag "umgehend bearbeitet werden, in der Regel solle
eine Antragsteller nach spätestens 24 Stunden einen Bescheid
erhalten...Eine Gebühr für die Vorlage von Akten darf nicht erhoben
werden." (Anlage
L).
[Auf Seite 41 der Evaluation wird darauf hingewiesen, dass " die
Datenbank zur weltweiten Informationsfreiheitsgesetzgebung, die derzeit im
Rahmen von UNPACS (United
Nations Public Administration Countries Studies) durch die United Nations
Division for Public Administration and Development Management (UNDPADM)
mit Unterstützung der working group „citizen engagement“ des UN Committee
of Experts on Public Administration aufgebaut wird (noch nicht genutzt
werden konnte). Allerdings hat die UNESCO folgendes publiziert: Toby
Mendel, Freedom
of Information: A Comparative Legal Survey (UNESCO 2nd
ed. 2008). Außerdem hat right2info.org
"Constitutional Provisions, Laws and
Regulations" des Informationszugangs weltweit publiziert.]
Zwar wird die 3 Generationen Theorie der Dissertation: "Rechtsvergleichung als Konfliktvergleich." wird "(d)as deutsche Informationsfreiheitsgesetz aus Perspektive des US-amerikanischen und finnischen Rechts" Seite 68 der Evaluation erwähnt (Anlage H). Aber die Kritik am deutschen IFG wird unterschlagen:
I. Zusammenfassung der
Kritik und Bewertung des IFGs des Bundes
(Es werden 3 Generationen
von Gesetzen unterschieden.) Die erste Generation von
Informationsfreiheitsgesetzen regelt lediglich das Recht auf Zugang zu
Verwaltungsinformationen. In einem zweiten Schritt versuchen Gesetzgeber
auf der ganzen Welt, den tatsächlichen Zugang zu verbessern.Die dritte
Generation bringt diesen Paradigmenwechsel: Es ändern sich die
Selbstwahrnehmung der Verwaltung wie die Erwartungen der Bürger an die
Verwaltung.
Die Informationszugangsgesetze der Vereinigten Staaten, Finnland und
Deutschland unterscheiden sich in wesentlichen Regelungen; insbesondere in
Fragen des modernen Informationsmanagements, so dass man von verschiedenen
Generationen von Informationszugangsgesetzen sprechen kann. (Seite
359)
Das IFG enthält unverhältnismäßig viele Ausnahmetatbestände, die internationalen Normen widersprechen (z. B. Konvention des Europarats über den Zugang zu amtlichen Dokumenten).
Informationszugang und Transparenz ist auch wichtig bei
Antikorruptionsarbeit.
Leider hat das Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation
nicht die wissenschaftliche Integrität gezeigt, die international
anerkannte Demokratie-, Bürger- und Menschenrechtsdimension des
Informationszugangs einzubeziehen. Damit wird nicht deutlich, dass
Deutschland ein Schlusslicht bei in der zivilisierten Welt
selbstverständlicher Zugangsrechten. Deshalb greifen die
Verbesserungsvorschläge zu kurz.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Kopie: Professor Michael Kloepfer (Rechtsprofessor: Informationsfreiheit soll ins Grundgesetz), Prof. Dr. Monika Böhm ("Auswertung der Anwendungserfahrungen mit dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) sowie Erarbeitung von konkreten Empfehlungen für Rechtsänderungen"), Professor Dr. Thomas Pfeiffer ("Rechtsvergleichende Untersuchung des Verbraucherinformationsrechts")
Anlagen:
Antwort und Ergebnisse:
Im Internet publiziert:
Entwicklung:
[Informationsfreiheit] [Menschenrechtsverletzungen in Deutschland] [Patientenrechte in Europa] [Petitionen] [Homepage]
Anlage: Süddeutschland der Schandfleck der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.
158 Staaten haben die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert:
43 von 47 Sttaten des Europarates haben die Strafrechtsübereinkommen über
Korruption ratifiziert: