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English on same subject:
http://wkeim.bplaced.net/files/foi-de.htm
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 18.3.2013
An die Fraktionen des
Landtages von Brandenburg
Am Havelblick 8
D-14473 Potsdam
Kopie: Die Landesbeauftragte für den Datenschutz
und das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg, Piratenpartei Brandenburg
Anhörung 7.3.2013: Akteneinsichts- und Informationsgesetz
zukunftsgerichtet und mutig novellieren
Sehr geehrte Damen und Herren,
Brandenburg ist mit der Verankerung des allgemeinen Akteneinsicht in der
Verfassung von 1992 und dem Akteneinsichts- und Informationsgesetz (IFG) von
1998 der Pionier auf diesem Gebiet in Deutschland.
Aber seither ist die Entwicklung weiter gegangen. Brandenburg braucht nach
15 Jahren Stillstand endlich mehr Transparenz.
Inzwischen haben 50
Staaten entsprechende Bestimmungen in ihren Verfassungen und der
Informationszugang ist ein Menschenrecht. Mehr als 125
Staaten mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern d. h. 84 % der
Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder
entsprechende Verfassungsbestimmungen.
Das bisherige Gesetz aus dem Jahre 1998 rangiert im Vergleich zu den
entsprechenden Regelungen des Bundes und der anderen Bundesländer auf dem
letzten Rang.
International rangiert das IFG des Bundes auf einem der letzten Plätze: 88
Staaten mit ca. 5,5 Milliarden (Anlage
A) d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres
Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/).
Dabei werden internationale Standards zugrunde gelegt.
In der Dissertation: "Rechtsvergleichung als Konfliktvergleich" wird das
deutsche Informationsfreiheitsgesetz aus Perspektive des US-amerikanischen
und finnischen Rechts evaluiert (Anlage
B). Dabei wird die 3 Generationen Theorie entwickelt und das IFG des
Bundes kritisiert:
I. Zusammenfassung der
Kritik und Bewertung des IFGs des Bundes
§ 1 Unsaubere
Formulierung und mangelnde Abstimmung mit anderen
Gesetzen...................................... 353
§ 2 Zahlreiche Ausnahmeregelungen..................................... 354
§ 3 Misslungene Regelung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen
......................................................... 355
§ 4 Keine Vorschriften über modernes Informationsmanagement
.............................................................. 356
§ 5 Bewertung des IFGs im Vergleich zu anderen Informationszugangsgesetzen
....................................... 357
(Es werden 3 Generationen
von Gesetzen unterschieden.) Die erste Generation von
Informationsfreiheitsgesetzen regelt lediglich das Recht auf Zugang zu
Verwaltungsinformationen. In einem zweiten Schritt versuchen Gesetzgeber
auf der ganzen Welt, den tatsächlichen Zugang zu verbessern. Die dritte
Generation bringt diesen Paradigmenwechsel: Es ändern sich die
Selbstwahrnehmung der Verwaltung wie die Erwartungen der Bürger an die
Verwaltung.
Die Informationszugangsgesetze der Vereinigten Staaten, Finnland und
Deutschland unterscheiden sich in wesentlichen Regelungen; insbesondere in
Fragen des modernen Informationsmanagements, so dass man von verschiedenen
Generationen von Informationszugangsgesetzen sprechen kann. (Seite 359)
Im Bund wurde in den Jahren 1998 bis 2004 trotz Koalitionsvertrag von der
Ministerialbürokratie keinen Gesetzentwurf erarbeitet und in den Bundestag
eingebracht. Die "Zeit" nannte das den "Aufstand der Amtsschimmel" (Anlage
C).
Die Lösung dieses Problems war, dass die Parlamentsfraktionen der
regierenden Koalitionsparteien ihren eigenen Gesetzesentwurf erarbeiteten
und verabschiedeten. Auch in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Berlin,
Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen wurden Gesetzentwürfe von
Parlamentariern eingebracht.
Deshalb können die Parlamentsfraktionen der Regierung helfen, um dieses in
der Demokratie essentielles Menschenrecht (Quelle
1) zu stärken.
Verwaltungen in aller Welt wollen sich nicht gerne in die Karten schauen
lassen und versuchen deshalb die allgemeine Akteneinsicht zu erschweren.
Dabei beziehe ich mich auch auf mehr als 240
Jahre Erfahrung mit der Informationsfreiheit in Schweden. Trotzdem
hat die schwedische Verwaltung ihren Widerstand
nicht aufgegeben. Das schwedische Parlament kommt zum Ergebnis, dass
man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich
abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und
die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht
nachgegeben wird". Deshalb muss die schwedische Verwaltung Aktenpläne mit
allen Dokumenten herausgegeben, die kostenlose Antwort mit den gewünschten
Dokumenten sollte innerhalb 24 Stunden gegeben werden (Quelle
9).
Mehr als 125 Staaten mit mehr
als 5,9 Milliarden Einwohnern d. h. 84 % der Weltbevölkerung haben
entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende
Verfassungsbestimmungen. Das Menschenrecht des Informationszugangs wird
international als Voraussetzung einer Demokratie anerkannt.
Schweden hat als erster skandinavischer Staat vor mehr als 245 Jahren den
Informationszugang "erfunden". Folgende Bestimmungen sorgen in
Skandinavien für rasche kostenlose Akteneinsicht innerhalb von Tagen:
- Unter Berücksichtigung des Datenschutzes sind Beschreibungen aller
Dokumente der norwegischen Staatsverwaltung der letzten 2 Jahre suchbar
(siehe Anlage D: oep.no
) im Internet veröffentlicht. Pro Jahr sind das ca. 1 Million Dokumente.
Journalisten hatten diese Möglichkeit schon seit ca. 20 Jahren.
- Der Antragsteller sucht, findet und bestellt elektronisch die
Dokumentnummer, die Behörde hat wenig Arbeit das elektronisch
zuzusenden. Das kostet nichts.
- Diese Vereinfachung für Antragssteller und Verwaltung trägt Früchte:
ca. 3 385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (Quelle
8). In Deutschland werden weniger als 4 Anfragen pro 100.000
Einwohner pro Jahr bearbeitet.
- In Schweden werden Aktenpläne mit allen Dokumenten herausgegeben, die
kostenlose Antwort mit den gewünschten Dokumenten sollte innerhalb 24
Stunden gegeben werden. 99 % der Antragsteller sind Journalisten (Quelle
9). Norwegen operiert mit 1 bis 3 Tagen Antwortfrist.
- Nach 5 Arbeitstagen kann in Norwegen wegen Untätigkeit beim
(kostenlosen) Ombudsmann geklagt werden.
Internationale Normen der maximalen Offenheit, rascher Antworten und
niedriger Kosten werden mit dem IFG des Bundes nicht verwirklicht: 88
Staaten mit ca. 5,5 Milliarden d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben
ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/).
Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben
schlechtere Informationsfreiheitsgesetze.
Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines
Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den
Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis
auf OSZE, Zivilpakt und EGMR (siehe Quelle
1: "International documents (...) state that access to information
is a fundamental human right and an essential condition for all democratic
societies.").
Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist ein Menschenrecht
gemäß Zivilpakt [Quelle
2, 5, 6] und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte [Quelle 7] aufgrund der Europäischen Konvention für
Menschenrechte (EKMR) [Quelle
3], wird international als Voraussetzung für die Demokratie
angesehen und ist wichtig im Kampf gegen Korruption.
Die drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der
Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004,
dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist: [Quelle
4]:
„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein
fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine
umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der
größtmöglichen Offenlegung basiert."
Ich schlage vor die Novellierung mutig und zukunftsorientiert vorzunehmen.
Der Vorschlag
eines Bürgerinformationsgesetzes der Zivilgesellschaft ist ein "Akt
zivilgesellschaftlicher Notwehr" ist sehr gut geeignet das zu verwirklichen.
Auch in Hamburg hat das Bündnis "Transparenz schafft Vertrauen" eine
Volksinitiative auf den Weg gebracht, die von der Bürgerschaft weitgehend
übernommen wurde und ein sehr fortschrittliches Transparenzgesetz mit
proaktiven Veröffentlichungen schuf (Anlage
E).
Die Zehnte gemeinsame Erklärung der vier internationalen Sonderbeauftragten
für den Schutz der Meinungsfreiheit (UN, OAS, OSCE, ACHPR) vom 3. Februar
2010 (10)
stellt fest:
Obwohl in den letzten zehn Jahren große Fortschritte bei
der Anerkennung des Rechts auf Information erzielt wurden, bleibt hier -
als vierte Herausforderung - noch viel zu tun... Viele Gesetze (zum
Recht auf Information), die verabschiedet wurden, genügen den
internationalen Mindeststandards nicht, und die Bemühungen, sie
umzusetzen, sind in vielen Ländern zu gering.
Es liegt in Ihrer Hand meine sehr geehrten Damen und Herren Volksvertreter
das Menschenrecht des Informationszugangs zu verwirklichen: Sie haben in der
Demokratie die Macht.
Mit freundlichen Grüßen
--
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
UN Universal Periodic Review (UPR): http://wkeim.bplaced.net/files/foi-upr-de.htm
Will OSCE Support the Human Right of Access to Information in Germany by
Commenting ATI Laws: http://t.co/GmQy9V0U
Quellen:
- OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO
INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
- Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
- Zugang zu amtlichen Dokumenten in Europäischer Konvention für
Menschenrechte: https://www.right2info.org/international-standards#section-5
- Gemeinsame Erklärung 2004 der drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und
AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
- "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler
Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm
(Deutsch: http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1)
- Klagen bei den VN gegen Staaten, die gegen das Menschenrecht des
Zugangs zu amtlichen Dokumenten verstoßen: http://right2info.org/cases#section-6
- Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: http://right2info.org/cases#section-2
- 2011 Norwegen: 3 385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr: http://wkeim.bplaced.net/files/Norway_number_of_requests.html
- Monica Broschard: Deutschlands Weg zur Informationsfreiheit –
Entwicklungsgeschichte, Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes-
und Länderebene. Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003: ftp://ftp.zew.de/mbr/ma2003c-hauptband_zew.pdf
Anhang 5: Exkurs
in die schwedische Verwaltungspraxis in Monica Broschard: Deutschlands
Weg zur Informationsfreiheit – Entwicklungsgeschichte,
Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes- und Länderebene.
Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003
- Zehnte gemeinsame Erklärung der vier internationalen
Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit (UN, OAS, OSCE,
ACHPR) vom 3. Februar 2010: http://merlin.obs.coe.int/iris/2010/5/article1
Anlagen im Internet:
- Access to Information Laws: http://right2info.org/access-to-information-laws
- Tobias Bräutigam, Rechtsvergleichung als Konfliktvergleich. Das
deutsche Informationsfreiheitsgesetz aus Perspektive des
US-amerikanischen und finnischen Rechts, Helsinki, im Oktober 2008: http://www.doria.fi/bitstream/handle/10024/42586/rechtsve.pdf?sequence=2
- Krupa, Matthias "Die Zeit" (04.04.2002): Aufstand der Amtsschimmel: http://www.zeit.de/2002/15/Aufstand_der_Amtsschimmel
- Electronic Public Records (OEP) Norway: http://www.oep.no/nettsted/fad/OM-OEP.html?lang=en
- Hamburg "Transparenz schafft Vertrauen": http://www.transparenzgesetz.de/
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Anlage: Informationszugang in Verfassungen in Europa:
Anlage: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün:
Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung.
Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.