UN, OSZE
und OAS Sonderbeauftragte für den Schutz der Meinungsfreiheit 2004
in
English on same subject:
http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-5-laender-en.htm
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 19.11.2012
An die
Ministerpräsidentin in Thüringen
Thüringer Staatskanzlei
Regierungsstraße 73
D-99084 Erfurt
Kopie: Fraktionen
des Landtages in Thüringen, Piratenpartei
Thüringen
Betreff: Verbesserung des IFG Vorschlags
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
ich beziehe mich auf Ihre Bereitschaft den Vorschlag eines
Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) zu überprüfen: "Lieberknecht will im
laufenden IFG-Verfahren prüfen" ... "wir (sind) im Gesetzgebungsverfahren":
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Lieberknecht-will-im-laufenden-IFG-Verfahren-pruefen-1733290818
) und möchte deshalb auf skandinavische Erfahrungen hinweisen.
Sie weisen darauf hin, dass "(e)s Länder gibt, die haben überhaupt kein
Informationsfreiheitsgesetz."
Allerdings haben mehr als 120 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/)
mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern d. h. 84 % der Weltbevölkerung
entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende
Verfassungsbestimmungen. Das Menschenrecht des Informationszugangs wird
international als Voraussetzung einer Demokratie anerkannt. In Europa fehlt
im Wesentlichen nur Weißrussland und 5 Bundesländer. In der Welt fehlen
hauptsächlich Staaten in Afrika und dem Nahen Osten. Die meisten Bewohner
von Bananenrepubliken haben solche Rechte.
Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines
Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den
Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis
auf OSZE, Zivilpakt und EGMR. (siehe Quelle
7: "International documents (...) state that access to information is
a fundamental human right and an essential condition for all democratic
societies.")
Verwaltungen in aller Welt wollen sich nicht gerne in die Karten schauen
lassen und versuchen deshalb die allgemeine Akteneinsicht zu erschweren.
Dabei beziehe ich mich auch auf mehr als 240
Jahre Erfahrung mit der Informationsfreiheit in Schweden. Trotzdem
hat die schwedische Verwaltung ihren Widerstand
nicht aufgegeben. Das schwedische Parlament kommt zum Ergebnis, dass
man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich
abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und
die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht
nachgegeben wird".
Schweden hat als erster skandinavischer Staat vor mehr als 240 Jahren den
Informationszugang "erfunden" (inspiriert
von Chinas Tang Dynastie des 7. Jahrhunderts) und hat heute kostenlose
Einsicht innerhalb von Tagen festgelegt:
Unter Berücksichtigung des Datenschutzes sind Beschreibungen aller Dokumente
der norwegischen Staatsverwaltung der letzten 2 Jahre suchbar (siehe: oep.no
http://www.oep.no/nettsted/fad/OM-OEP.html?lang=en
) im Internet veröffentlicht. Journalisten hatten diese Möglichkeit schon
seit etwa 20 Jahren.
Der Antragsteller sucht, findet und bestellt elektronisch die
Dokumentnummer, die Behörde hat wenig Arbeit das innerhalb von 1 bis 3 Tagen elektronisch zuzusenden.
Das kostet nichts.
Diese Vereinfachung für Antragssteller und Verwaltung trägt Früchte: ca. 3
385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr ( http://wkeim.bplaced.net/files/Norway_number_of_requests.html
). In Deutschland werden weniger als 4 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro
Jahr bearbeitet.
In Schweden werden Aktenpläne mit allen Dokumenten herausgegeben, die
Antwort mit den gewünschten Dokumenten sollte innerhalb 24 Stunden gegeben
werden. 99 % der Antragsteller sind Journalisten. ( http://wkeim.bplaced.net/files/Broschard-Exkurs_schwedische_Verwaltungspraxis.html
) Norwegen operiert mit 1 bis 3 Tagen Antwortfrist. Nach 5 Arbeitstagen kann
wegen Untätigkeit beim (kostenlosen) Ombudsmann geklagt werden.
Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist ein Menschenrecht
gemäß Zivilpakt [Quelle
1, 4, 5] und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte [Quelle 6] aufgrund der Europäischen Konvention für
Menschenrechte (EKMR) [Quelle
2], wird international als Voraussetzung für die Demokratie angesehen
und ist wichtig im Kampf gegen Korruption.
Die drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der
Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004,
dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist: [Quelle
3]:
„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein
fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine
umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der
größtmöglichen Offenlegung basiert."
Die Zehnte gemeinsame Erklärung der vier internationalen Sonderbeauftragten
für den Schutz der Meinungsfreiheit (UN, OAS, OSCE, ACHPR) vom 3. Februar
2010 (8) stellt
fest:
Obwohl in den letzten zehn Jahren große Fortschritte bei
der Anerkennung des Rechts auf Information erzielt wurden, bleibt hier -
als vierte Herausforderung - noch viel zu tun... Viele Gesetze (zum
Recht auf Information), die verabschiedet wurden, genügen den
internationalen Mindeststandards nicht, und die Bemühungen, sie
umzusetzen, sind in vielen Ländern zu gering.
Können Sie das bei den Vorbereitungen berücksichtigen?
Mit freundlichen Grüßen
--
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
UN Universal Periodic Review (UPR): http://wkeim.bplaced.net/files/foi-upr-de.htm
Will OSCE Support the Human Right of Access to Information in Germany by
Commenting ATI Laws: http://t.co/GmQy9V0U
Kopie: Fraktionen
des Landtages in Thüringen, Deutscher Journalisten-Verband (DJV),
DJV-Landesverband Thüringen, Bayerischer Journalisten-Verband, Fraktionen im
Bundestag, Fraktionen im Landtag Baden-Württemberg, Fraktionen in 5
Bundesländern ohne Informationsfreiheit, Piratenpartei Deutschland
Quellen:
- Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
- Zugang zu amtlichen Dokumenten in Europäischer Konvention für
Menschenrechte: https://www.right2info.org/international-standards#section-5
- Gemeinsame Erklärung 2004 der drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und
AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
- "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler
Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm
(Deutsch: http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1)
- Klagen bei den VN gegen Staaten, die gegen das Menschenrecht des
Zugangs zu amtlichen Dokumenten verstoßen: http://right2info.org/cases#section-6
- Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: http://right2info.org/cases#section-2
- OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO
INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
- Zehnte gemeinsame Erklärung der vier internationalen
Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit (UN, OAS, OSCE,
ACHPR) vom 3. Februar 2010: http://merlin.obs.coe.int/iris/2010/5/article1
Antwort:
- 23.11.2012: Staatskanzlei (Az.
21/Lg 03402, Vis 19629) gibt das Schreiben an den Innenminister weiter.
- 29.11.2012: Thüringer Staatskanzlei Referat 21: "Frau
Ministerpräsidentin Lieberknecht dankt Ihnen für Ihr Schreiben vom 19.
November 2012, in dem Sie auf die vorliegenden skandinavischen
Erfahrungen zum Thema Informationsfreiheit hinweisen."
- 29.11.2012: Innenministerium: Ihre Informationen "bestätigen uns in
dem gewählten Weg ein elektronisches Informationsregister einzurichten,
(das) eine(r) schnelle(n) und unbürokratische Verfahrensweise (...)
entgegenkommt."
- 04.12.2012: Die Grünen sehen ebenfalls in Bayern Handlungsbedarf.
Initiative Bayern Transparent weist auf ihre Seite: http://www.bayerntransparent.de/
hin.
Entwicklung:
[Informationsfreiheit] [Petitionen] [Menschenrechtsverletzungen in
Deutschland]
[Zur Homepage]
Anlage: CDU/CSU regierte Bundesländer sind der Schandfleck
bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün:
Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit
nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access
to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.