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Walter Keim, E-Mail: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, 4. März 2006

  

Arbeitsstab Informationsfreiheit
Auswärtiges Amt
Werderscher Markt 1
D-10117 Berlin

Betreff: Einspruch Gebühren GESCHÄFTSZEICHEN AS-IFG-511E 2006022040132

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beziehe mich auf Ihre E-Mail vom 3.3.06 mit der Vorgangsnummer 2006022040132 nebst Anlagen, d. h. Behandlung von Bona-Fide-Antragstellern im Visumverfahren: 508-1-516.20 .

Ich erhebe Einspruch gegen die Gebührenerhebung.

Da zunächst Fragen der Auslandszustellung nach Norwegen zu klären waren, stellen Sie € 15 in Rechnung: "Die Informationsgebührenverordnung (IFGGebV) schreibt die Kostenpflicht für die Herausgabe von Abschriften allerdings vor (Teil A Ziff. 2.1 zu § 1 Absatz 1 IFGGebV). Bitte beachten Sie daher die Hinweise Anlage 1."

Auch in Ihrer Bestätigung am 20.2.06 hatten Sie geschrieben: "Die Gebühren können je nach Arbeitsaufwand des Auswärtigen Amtes zwischen 15 und 500 Euro betragen. Darüber hinaus sind eventuell entstehende Auslagen (für Kopien etc.) erstattungspflichtig."

Dabei dokumentieren Sie, dass Sie (die zugegebenermaßen komplizierte) IFGGebV offensichtlich falsch verstehen, da nach Ziff. 1.1 des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses "einfache schriftliche Auskünfte auch bei Herausgabe von wenigen Abschriften" gebührenfrei sind. Auch § 10 Absatz (1) IFG schreibt vor, dass Gebühren nicht für einfache Auskünfte gelten. Das gilt offensichtlich für die 4 Seiten des Visa-Erlass 508-1-516.20, der ja schon vorher gefunden wurde (Unter Vorgangsnummer 20060102406, wo € 107 Verbesserungsmöglichkeiten der Effizienz und Bürgerfreundlichkeit zeigen).

Darauf hatte ich schon in meiner Anfrage vom 9.2.06, deren Eingang vom AA schon am 10.2.06 bestätigt wurde hingewiesen.

Da die Frage der Auslandszustellung eine allgemeine vorbereitende Tätigkeit ist (siehe Kostenblatt), erhebe ich geben den Gebührenbescheid Einspruch. Keineswegs ist es statthaft, die "Frage der Auslanszustellung" beispielsweise die Unkenntnis des Begriffes "Jeder" (§ 1 IFG: umfasst auch in Norwegen lebende Deutsche) dem Bürger in Rechnung zu stellen.

"Das Informationszugangsrecht bietet zugleich der Verwaltung zusätzliche Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Bürgernähe und zur weiteren Modernisierung ihrer Arbeitsabläufe." siehe Aufruf des Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit vom 28. September 2005 unter der Überschrift: "Freier Informationszugang – Stärkung der Bürgerrechte und Chance für die Verwaltung".

Mehr als 65 Staaten sowohl in der EU, in Europa, der OSZE, der OECD sowie alle entwickelten zivilisierten Länder kennen  Informationsfreiheitsgesetze. Mehr als die Hälfte dieser Staaten hat dieses Menschenrecht in der Verfassung verankert. Darüber hinaus haben ca. 40 Staaten entsprechende Verfassungsgarantien ohne konkrete gesetzliche Ausformung. Auch in Deutschland war im Jahre 1993 in der Verfassungskommission von Bund und Ländern im Zuge der Diskussion um eine Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Wiedervereinigung dafür schon eine Mehrheit vorhanden, allerdings wurde die notwendige zweidrittel Mehrheit damals noch nicht erreicht (BT Drucksache 12/6000, Kapitel 3.4).

In Deutschland wurde in den Jahren 1998 bis 2004 die Ausarbeitung eines Informationsfreiheitsgesetzes durch den Aufstand der Amtsschimmel verhindert. Dabei wurde der Grundsatz der Demokratie: "Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus" (Artikel 20 GG) verletzt. Natürlich habe ich mich gefreut, dass der Bundestagspräsident meine Petition am 22.12.04 an den Bundeskanzler zur Berücksichtigung überwiesen hat und der Bundestag - wie von mir vorgeschlagen - ein Gesetz verabschiedet gegen den Widerstand der Regierung. Damit hat sich Deutschland international (wegen vieler Ausnahmen) vom letzten auf dem vorletzten Platz verbessert. Nach Artikel 137 GG kann "Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden ... gesetzlich beschränkt werden." Rächt sich hier, dass der Gesetzgeber das nicht ausgeschöpft hat? Ist der deutsche Bundestag von Staatsdienern unterwandert, die nicht in der Lage sind Bürgerrechte zu realisieren?

Während in anderen zivilisierten Staaten alle politische Parteien das Bürger- und Menschenrecht der Informationsfreiheit unterstützen, haben die Amtsschimmel in Deutschland mit der CDU/CSU eine 5. Kolonne im Parlament. Durch die Übernahme des Innenministeriums wird versucht Bürgerfreundlichkeit zu verhindern und Reste obrigkeitsstattlichehn Denkens zu bewahren. Bei der Auslegung der schwammigen, komplizierten und undurchsichtigen Informationsgebührenverordnung (IFGGebV) ist allerdings zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 10 Absatz (3) bestimmt: "Gebühren sind auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 wirksam in Anspruch genommen werden kann." Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung zu § 10 IFG ausgeführt, dass sich die Kostenverordnung für das IFG an der Kostenverordnung zum Umweltinformationsgesetz orientieren soll.

Meine Akteneinsichtnahme bei der EU Kommission 26.12.01 und dem Rat der EU vom 9.2.02 und umfangreiche Antwort waren kostenfrei.

Die "Checkliste Informationsfreiheit" der Bertelsmannstiftung spricht davon "den Informations-Nachfragern keine prohibitiv hohe Kosten aufbürden", und "Es dürfen dem Antragsteller maximal die Zusatzkosten der Informationszustellung berechnet werden". Nach Prinzip 4 der "Right to Know" Regeln der Open Society Justice Initiative sollten die Kosten nicht größer als die Reproduktionskosten sein. Auch die Empfehlung Rec (2002) 2 des Ministerausschusses des Europarates an die Mitgliedstaaten zum Zugang zu amtlichen Dokumenten sieht moderate Kosten vor. Im Handbuch des dänischen Menschenrechtsinstitut: “An Introduction to Openness and Access to Information” werden für Gebühren nur Materialkosten empfohlen. Auch A Model Freedom of Information Law von ARTICLE19 sieht moderate Kostenregelungen vor. The final report of the EUROPEAN INSTITUTE FOR MEDIA on “the information of the citizen in the EU: obligations for the media and the Institutions concerning the citizen’s right to be fully and objectively informed” recommends: "Financial charges for this system (of national access laws) are seen as a hindrance to freedom of information." Das United Nations Development Programme entwickelte einen Guide to Measuring the Right to Information mit Fragen angemessener Gebühren.

Zahlreiche internationale Organisationen, z. B. der Europarat 3, die OSZE 4, Access Info Europe, Open Society Justice Initiative, www.freedominfo.org, Tranceparency International, Statewatch, Human Rights Whatch, Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI), International Journalists' Network, European Federation of Journalists, foiadvocates.net und Internationalen Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten (in der auch die 5 Informationsfreiheitsbeauftragten aus Deutschland mitarbeiten) untersuchen wie diese Gesetze in der Praxis angewandt werden.

Mit freundlichen Grüßen


Walter Keim

Kopie: Informationsfreiheitsbeauftragter des Bundes, Deutscher Presserat, Council of Europe, OSCE, OECD, PACE and UN.

Anlage:

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Anlage: Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.