Warum stellt sich das Verwaltungsgericht in Karlsruhe gegen den Gedanken des "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" in Europa siehe Agentur der Europäischen Union für Grundrechte COM(2005)280)?
Walter Keim
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 10.4.2006
Verwaltungsgericht
Karlsruhe
z. Hd. von Frau Warnemünde und den Herren Heß und Kink
Postfach 11 14 51
D-76064 Karlsruhe
Betreff: Bieten Sie die Gewähr sich jederzeit für die Menschenrechte einzusetzen?
Sehr geehrte Frau Warnemünde und Herren Heß und Kink,
mit Verwunderung habe ich Ihr Urteil vom 10. März 2006 über die Bestätigung eines Berufsverbotes mit Tatbestand, Antrag des Beklagten und Entscheidungsgründe gelesen.
Wo sind eigentlich die Gründe für den Antrag des Klägers zu finden im Urteil? Ist er gehört (Art. 103 GG) worden? Wo ist eine Diskussion des Grundrechts (Art. 5 GG) und Menschenrechts (Art. 10 EKMR) der Meinungsfreiheit zu finden? Ist der Gleichheit (Art. 3 GG), Gedanken- und Gewissensfreiheit (Art. 9 EKMR), Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG, Art. 10 EKMR) und Freiheit der Berufswahl (Art. 12 GG) genüge getan? Wo sind die relevanten Grund- und Menschenrechte diskutiert?
Weder während der mündlichen Verhandlung noch im Urteil wurden dem Kläger persönliches Fehlverhalten oder gar verfassungsfeindliche Aktionen zur Last gelegt - im Gegenteil: Von allen Seiten wurde ihm bescheinigt, Engagement und Zivilcourage gegen Rechtsextremismus zu zeigen, friedliebend und für seinen Beruf bestens qualifiziert zu sein. Nie habe er während seiner Referendarszeit versucht, Schüler zu indoktrinieren. Trotzdem wird ein Berufsverbot bestätigt.
Demokratie kommt aus dem griechischen und bedeutet Volksherrschaft. Die Bürger sind der Souverän (Art. 20 GG: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"). Um diese Herrschaft verantwortungsvoll und fundiert auszuüben sind zur Ausübung des Wahlrechts und Begründung der Meinungen Informationen notwendig. Daraus leitet sich auch das Menschenrecht des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung her.
Zunächst möchte ich meine Erfahrungen mit Menschenrechten
und Justiz darstellen um dann Ihr Urteil zu kommentieren. Dabei
beziehe mich zunächst auf die Seite
der UNO: http://www.runiceurope.org/german/menschen/udhr_template.htm.
Dort steht in Bezug auf Menschenrechte:
"Alle Menschen verfügen von Geburt an über die gleichen, unveräußerlichen Rechte und Grundfreiheiten.
...
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben die Vereinten Nationen in klaren und einfachen Worten jene Grundrechte verkündet, auf die jedermann gleichermaßen Anspruch hat.
Auch Sie haben Anspruch auf diese Grundrechte. Es sind auch ihre Rechte.
Machen Sie sich mit ihnen vertraut. Helfen Sie mit, diese Grundrechte für sich selbst und für Ihren Nächsten zu fördern und zu verteidigen."
Das habe ich versucht zu tun.
Am Anfang stand dabei das Menschenrecht auf Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung1.
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt. Diesem Pakt ist Deutschland beigetreten, verletzt ihn aber bisher in 12 Bundesländern. Im Bund gibt es erst seit 1.1.2006 ein Informationsfreiheitsgesetz und war damit eines der letzten zivilisierten Länder.
Die UN, OSZE und AOS bestätigten in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten ein Menschenrecht ist:
The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.
Mehr als 65 Staaten sowohl in der EU, in Europa, der OSZE, der OECD sowie alle entwickelten zivilisierten Länder kennen die Informationsfreiheit. Mehr als die Hälfte dieser Staaten hat dieses Menschenrecht in der Verfassung verankert. Darüber hinaus haben ca. 40 Staaten entsprechende Verfassungsgarantien ohne konkrete gesetzliche Ausformung. In mehr als 25 Ländern werden solche Gesetzentwürfe diskutiert.
Da sich weder das Verwaltungsgericht Berlin (VG 2 A 85.04) noch das Verfassungsgericht (1 BvR 1981/05) auf den Boden des europäischen Raums der Freiheit gestellt hat, wurde am 11.11.05 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) angerufen. Leider bietet das Verfassungsgericht nicht die Gewähr dafür, sich jederzeit für die Menschenrechte einzusetzen und steht nicht auf dem Boden des VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION (Artikel 6), der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AMRE) Artikel 19, des IPbürgR Artikel 19 und der Charta der Grundrechte der EU Artikel 421.
Diese Menschenrechtsverletzung war nicht die Einzige:
Das Deutsche Institut für Menschenrechte wurde aufgrund von Vorschlägen der VN gegründet. Auch das Ministerkomitee des Europarats hat 1997 eine unabhängige nationale Institutionen zur Förderung der Menschenrechte empfohlen (Recommendation No. R (97) 14). Der erste Direktor Percy MacLean musste zurücktreten, da er auch (wie vom Europarat und den VN gewünscht) innenpolitische Themen aufgriff. Im Aufsatz "Das Deutsche Institut für Menschenrechte - Vision und Wirklichkeit" wird die Frage gestellt: Wie soll es nach dem erzwungenen Rücktritt des ersten Direktors weitergehen?. Deshalb habe ich das einfach selber untersucht und im Internet publiziert2.
Beispielsweise gilt das Rechtsberatungsgesetz aus dem Jahre 1935 immer noch. Jüdischen Anwälte wurden damals nicht nur aus der Anwaltskammer verbannt, zusätzlich wurde die unentgeltliche Beihilfe verboten. Ein Nürnberger Richter verurteilte im Jahr 2000 einen Integrationshelfer, weil er jüdische Flüchtlinge juristisch beraten hat. Diese unentgeltliche Unterstützung wird als Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz von 1935 geahndet. Diese Verletzung der Meinungsfreiheit (Artikel 10 EMRK) und Vereinigungsfreiheit (Artikel 11 EKMR) ist nun die Beschwerde Nr. 40901/02 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 14 Juni 2003: Der lange Atem eines Nazi-Gesetzes 3. Das Anwaltsmagazin berichtet in der Ausgabe: 13/2003: Nazi-Gesetz und kein Ende. Weltweit ist Deutschland der einzige Staat, in dem altruistisches Handeln im Bereich der Rechtsberatung verboten ist. Wie verlogen die Schutzbehauptung dadurch würde der Verbrauche geschützt ist, zeigte der "Robin Hood" der deutschen Justiz Dr. Helmut Kramer, Richter am Oberlandesgericht a. D. durch eine Selbstanzeige. Das Verfassungsgericht legte ihm rein: Nun dürfen nur Richter altruistischen Rechtsrat geben. Das geht dem um eigene Pfründe besorgten Deutschen Juristentag zu weit. Wer kann so blind sein hier die Kontinuität zu übersehen?
Legt man die selben Grundsätze an, die der Staat an seine Beamten anlegt, lautet das Ergebnis:
Die legislative, exekutive und judikative Gewalt bietet nicht die Gewähr dafür, sich jederzeit für die Menschenrechte einzusetzen und steht nicht auf dem Boden des VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION (Artikel 6), der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des IPbürgR, der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der EU. Wo bleibt das Bekenntnis zu den "unverletzlichen und unveräußerlichen" Menschenrechten (Artikel 1 (2) GG)?
Die Formulierung "die Gewähr dafür bieten, sich jederzeit für ..." einzutreten, stammt aus § 4 des "Gesetz(es) zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 23. Juni 1933, beschlossen von Adolf Hitlers Reichsregierung (Reichsgesetzblatt 1933 I, S. 175-177, 389), aufgrund des Ermächtigungsgesetzes (Reichsgesetzblatt 1933 I, S. 141). Zwar forderte Hitler für den "nationalen Staat" einzutreten, aber das im Europa einmalige Prinzip, dass der Bürger Zweifel ausräumen soll blieb.
Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 1975, Az: 2 BvL 13/73 zum Radikalenerlass, stammt aus der Feder Willi Geigers, damals Berichterstatter und Bundesverfassungsrichter. Die Grundzüge des Urteils finden sich bereits in seiner Dissertation aus dem Jahre 1941 über die Rechtsstellung des Schriftleiters. In dieser Arbeit diskutierte Geiger 1941 die besten Möglichkeiten, Marxisten und andere Schädlinge an Volk und Heimat aus den Medien fernzuhalten. Den Doktortitel, den sich Geiger mit dieser Hetzschrift erwarb, setzte er 1975 auch unter sein Urteil zum Thema Berufsverbote.
Danach muss der noch nicht beamtete Bewerber beweisen, dass der Verdacht der Einstellungsbehörde gegen ihn unbegründet ist. Ein fast unmögliches Unterfangen. Handlungen werden dem Berufsverbotsopfer gar nicht vorgeworfen, nur mögliche Meinungen und Gesinnungen. Wie soll man aber das Nichtvorhandensein einer Gesinnung beweisen.?
Ihr Urteil ist sowohl formal (der Kläger muss beweisen Zweifel auszuräumen) als auch inhaltlich (gegen Antifaschismus und Friedensbewegung) in der Tradition des Obrigkeitsstaates, der auch vom Nationalsozialismus aufgegriffen wurde um diese Diktatur zu festigen. Hier manifestiert sich illiberaler, staatsautoritärer Geist, der Menschenrechte nicht wahrnimmt. Sie argumentieren nicht so sehr verfassungs- und demokratieorientiert als vielmehr staatsfixiert - die Staatstreue wird zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Argumentation, mit der ein mehr als zweifelhaftes Berufsverbot gerichtlich abgesegnet und zudem an die berüchtigte Berufsverbotspolitik früherer Jahrzehnte angeknüpft wird. Damit steht die Begründung dieses Urteils genau in der Kontinuität, die Beamten verboten werden soll anzusprechen.
Die "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" AIHD behaupte, gewalttätige rassistische Angriffe seien zur Normalität geworden; es gebe einen "immer drastischer werdenden Rechtsruck in Staat, Parteien und großen Teilen der Gesellschaft" und ein Bruch mit der NS-Vergangenheit sei nur "vermeintlich" vollzogen worden. Im Urteil steht dazu: "Hier wird die Bundesrepublik Deutschland haltlos angegriffen und diffamiert". Ist der Deutsche Staat wirklich ein so kleines armes Würstchen, das sich "diskriminiert" fühlt, wenn jemand seine unbequeme Meinung sagt. Dürfen Fehlentwicklungen von Beamten nicht benannt werden?
Im europäischen Raum der Freiheit stehen "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" der Bürger (Souverän) z. B. Meinungs- und Gesinnungsfreiheit höher als ein Staat, der sich beleidigt und "diskriminiert" fühlt und deshalb seine Beamten zu Untertanen erniedrigt. Steht der Staat in Deutschland über seinem Souverän? Schliesslich gelten auch in Deutschland die Artikel 9, 10, 11 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
So meine Dame und Herren Berufsverbieter geht das, wenn man mit Steinen wirft und selber im Glashaus sitzt. Bei mir haben Sie jedenfalls Zweifel sehr verstärkt, dass Sie nicht die Gewähr dafür bieten sich jederzeit für Menschenrechte einzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Deutschland, die verspätete Nation: http://www.heise.de/tp/deutsch/special/frei/16121/1.html:
Deutschlands Defizit bei der Informationsfreiheit
Promotion of Human Rights in Germany: http://wkeim.bplaced.net/files/pace-complaint.htm,
http://wkeim.bplaced.net/files/echr-complaint.htm
and http://wkeim.bplaced.net/files/petition-hr.htm
Anlagen:
Entwicklung:
Entwicklung: Bericht des Menschenrechtskommissars Thomas Hammarberg über seinen Besuch in Deutschland 9. 11. und 15. 20. Oktober 2006: http://wkeim.bplaced.net/files/Bericht-des-Menschenrechtskommissars.html: Deutsche Institut für Menschenrechte mit der Beobachtung der Menschenrechte in Deutschland beauftragen, nationalen "Aktionsplan Menschenrechte" entwickeln.
[Menschenrechtsverletzungen in Deutschland] [Rechtsberatungsgesetz] [Informationsfreiheit] [Patientenrechte in Europa] [Petitionen] [Homepage]
Anlage: Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.