Wer ist für Mängel bei Transparenz und Informationsfreiheit verantwortlich?
Herausforderungen für die Presse 2013
Deutschland sollte, um zu Europa, der OECD, G20 und den BRICS-Staaten aufzuschließen, Informationsfreiheitsgesetze in allen Bundesländern verabschieden, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes verbessern, Nebentätigkeiten der Abgeordneten transparenter machen und die Konventionen gegen Korruption des Europarates und der Vereinten Nationen ratifizieren sowie die Transparenz der Parteienfinanzierung verbessern (1).
Die Verbesserungsmöglichkeiten bei Informationsfreiheit, Transparenz und Antikorruptionsregeln sind enorm:
- 88 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (2). Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben schlechtere Informationsfreiheitsgesetze.
- Mehr als 125 Staaten (3) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen. In 5 Bundesländern d. h. der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland fehlen generelle (über Verbraucherinformation und Umweltinformation hinausgehende) Informationsfreiheitsgesetze.
- Die UN Konvention gegen Korruption ist zwar in mehr als 158 Staaten (Stand 13.12.2011) mit mehr als 6,5 Milliarden Einwohnern ratifiziert, nicht aber von Deutschland.
- Der Vorschlag der Staatengruppe gegen Korruption GRECO des Europarates das Strafrechtsübereinkommen über Korruption SEV-Nr. : 173 und Zusatzprotokoll zu ratifizieren und die Transparenz der Parteienfinanzierung in Deutschland mit Hinweis auf Recommendation Rec(2003)4 zu verbessern wurde abgelehnt. GRECO leitete deshalb 2012 die zweite Stufe des „Non-Compliance-Verfahren“ gegen Deutschland ein.
- Deutschland ist das einzige Land in Europa, das weder die UN Konvention noch das Strafrechtsübereinkommen gegen Korruption ratifiziert hat.
Folgende Verantwortliche wurden mit diesen Fakten konfrontiert:
- Fraktionsvorsitzende mit Abgeordnetenwatch (4), speziell die CDU/CSU (5)
- Parlamente mit Petitionen (6)
- Experten, die IFG Gesetze evaluieren (7)
- Presse, die versäumt darüber zu informieren (8)
- Verwaltungen, die Einsicht verweigern (9) z. B. bei Stuttgart 21
- Verwaltungsgerichte, Verfassungsgericht (10) mit Verfahren Keim gegen Deutschland (und am VG München Keim gegen Bayern) in denen das Menschenrecht des Informationszugangs gefordert wird
- Warum nimmt Deutschland nicht an der Open Government Partnership teil, das gute Informationsfreiheitsgesetze voraussetzt ? (11).
Regierungsfraktionen im Bund und 4 Bundesländern ohne Informationsfreiheitsgesetze antworteten entweder nicht oder hielten Informationsfreiheitsgesetze und die Ratifizierung der Konventionen gegen Korruption nicht für notwendig. Petitionen im Bund und 5 Bundesländern ohne IFG schufen keine Abhilfe. Bedauerlicherweise ist also fast alles ignoriert worden, außer dass die Rechtsexperten bei der Anhörung zum IFG des Bundes erstmals erwähnten, dass der Zugang zu öffentlichen Dokumenten ein Menschenrecht ist. Im Bund unterstützen nur die Oppositionsparteien Verbesserungen und natürlich die Piratenpartei.
Das Verbesserungspotential könnte nicht ignoriert werden, wenn die Presse die Wähler informieren und das verstärkt aufgreifen würde. Akteneinsicht ist durch lange Wartezeit, Kosten und viele Ausnahmen begrenzt. Bei Stuttgart 21 blieben mehr als 20 Anträge auf Informationszugang als Akt zivilgesellschaftlicher Notwehr um ein bisschen Demokratie bei Stuttgart21 zu verwirklichen überwiegend erfolglos. Aber nicht nur Bürgern wird der Informationszugang verwehrt: Die Grünen kündigen an die Herausgabe der Angaben über Wirtschaftlichkeit notfalls über eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erzwingen „Es ist eine Unverschämtheit, dass Parlamentarier über Steuergelder in Milliardenhöhe entscheiden, ohne entsprechende Daten zu haben“.
International wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten als Menschenrecht gemäß Internationalem Pakte über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) und der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und Voraussetzung für Demokratie angesehen. Trotzdem ignorieren Gerichte den Menschenrechtscharakter des Informationszugangs.
"(W)ir (sind) an der Schwelle zu einem neuerlichen Entwicklungssprung in der Verwaltung – getrieben durch Veränderungen, die für die Bürger und Unternehmen längst normal sind. Diese Veränderungsbewegung nennt man Offene Verwaltung oder Open Government" (11). Allerdings werden Vorschläge internationalen Entwicklungen (12) bei Informationsfreiheitsgesetzen und Open Government Partnership von der Bundesregierung abgelehnt (13).
Aus internationaler Perspektive sind die CDU/CSU und die Presse die Hauptverantwortlichen. Die CDU/CSU vertritt nicht die Interessen ihrer Wähler sondern ist das trojanischen Pferd der Bürokratie unter den Volksvertretern im Parlament. Die Presse vernachlässigt ihre Aufgabe ihre Leser über die Ergebnisse der Arbeit der Verwaltung und das Menschenrecht des Informationszugangs zu informieren und dadurch die Wahl besserer Volksvertreter zu fördern.
Quellen:
1) Wer wird Transparenz unterstützen?: http://wkeim.bplaced.net/if-ngo.htm
2) http://www.rti-rating.org/country-data/
3) https://www.rti-rating.org/country-data/
4) Fragen mit Hilfe von Abgeordnetenwatch: http://wkeim.bplaced.net/files/120215fragen.html
5) CDU ist trojanisches Pferd der Bürokratie: http://wkeim.bplaced.net/files/120922bt.htm
6) Petitionen: http://wkeim.bplaced.net/petitionen-if.htm
7) Wie wissenschaftlich ist die Rechtswissenschaft?: http://wkeim.bplaced.net/files/120617foev.htm
8) Presse versäumt ihre Aufgaben: http://wkeim.bplaced.net/files/120727pr.html
9) Anträge auf Akteneinsicht: http://wkeim.bplaced.net/files/fg-material.htm#akteneinsicht
10) Rechtsachen: http://wkeim.bplaced.net/files/fg-material.htm#rechtsprechung
11) Anke Domscheit-Berg (12.10.2010): Einmaleins des Government 2.0 - http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/einmaleins-des-government-2-0
12) Anke Domscheit-Berg im Österreichischen Parlament (12.10.2011): Internet und Demokratie – http://www.gov20.de/internet-demokratie-rede-domscheit-berg/
13) https://fragdenstaat.de/anfrage/dokument-das-nichtteilnahme-an-opg-begrundet
Walter Keim, 1948 in Schwäbisch Gmünd geboren, war bis 2010 Dozent an der Hochschule in Sør-Trøndelag (Trøndelag University College) in Trondheim, Norwegen und unterrichtete dort in der Abteilung für Informatik und e-Learning. Er ist Dipl.-Ing. (TU Berlin) und Magister (Norwegian University of Science and Technology NTNU). Walter Keim ist Bürgerrechtskämpfer und Internet-Aktivist für Informationsfreiheit in Europa
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