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Kontrollkommissionen für psychiatrische Krankenhäuser in Norwegen


Ich war in Norwegen in der Kontrollkommission eines psychiatrischen Krankenhauses. Jede Zwangseinweisung wurde kontrolliert, ob ein Arzt selber untersucht hat und dabei _selber_ gesehen hat, dass der Eingewiesenen verrückt ist. Wenn das nicht der Fall war, wurde der sofort entlassen. Den Protest des Krankenhauses, dass das Krankenhaus ja sehe, dass er verrückt sei, hat der Richter so beantwortet: Der ist ja zu Unrecht hier und entließ ihn unmittelbar.

Die zentrale Frage, ob jemand “ernsthaft verrückt” (sehr psychotisch) ist, wurde aufgrund des Gesprächs in der Sitzung von der Kommission (Richter, Arzt, Krankenschwester und Laienrichter) entschieden. Dabei waren die Regeln klar: Wenn das Krankenhaus gesagt hat, der ist sonnst verrückt, nur heute hat er einen guten Tag, ist er frei gekommen: Was die Kommission sieht ist entscheidend. Zu meiner allergrößten Überraschung war die Kommission in 99 % der Fälle einig: Man sieht, ob jemand verrückt ist. In einem Jahr hat die Kommission das Krankenhaus in 40% der Fälle niedergestimmt. Manche Fachleute waren darüber entsetzt: der Arzt in der Kommission hat uns so getröstet: Die hätte als Diktator gepasst, die kapiert nicht, um was es geht.

Dabei gilt bei allem, was das Krankenhaus vorträgt die alte römische Regel: Lieber 9 laufen lassen als einen einsperren, der nicht dort hin gehört.

Meine Stimmengebung konnte ich so begründen: Ich bin zwar mit dem Krankenhaus einig, dass da ein Wahrscheinlichkeitsübergewicht für seine Argumentation spricht. Allerdings ist es dem Krankenhaus nicht gelungen, die gesetzliche Hürde zu nehmen und das mit 90% Sicherheit zu beweisen. Bei allen Argumenten gibt es einen Restzweifel (reasonable doubt), deshalb stimme ich für den Antrag des Patienten. Das Krankenhaus hat mich schief angeschaut, aber der Richter hat mich gelobt, für meine solide juristische Argumentation (ich war ja auch Jura Student).

Es gibt auch in Norwegen wenige, die die Rechte von psychisch Kranken verteidigen.

Kommentare, die ich vereinzelt bekam, waren so:


Populär bin ich nicht geworden. Ich habe trotzdem mit guten Gewissen (und meist eine komfortablen 4 zu Null Mehrheit im Rücken) weiterhin das Krankenhaus niedergestimmt, wegen der Freiheitsrechte der Patienten: Das Krankenhaus sperrt zwar viele ein, kann aber kaum jemand helfen.

Ich habe ca. 5 Videos gesehen und eine Radioaufnahme von Gustl Mollath gehört und bin mir deshalb sicher, dass er von einer norwegischen Kontrollkommission einstimmig als nicht verrückt angesehen würde. Davon konnten sich alle, die ihn in der Sitzung des Untersuchungsausschusses sehen konnten überzeugen. Er schnitt wesentlich besser ab als Merk.

Ich bin tief erschüttert und bestürzt die Dokumentation zu lesen mit viel “Hörensagen” argumentiert wird: Einfachste Rechte, die ich in der norwegischen Praxis als selbstverständlich erlebte, werden mit Füssen getreten. Sind da nicht letztlich die Richter verantwortlich?

Das "Recht auf Wissen" (Right to Know)

Aus skandinavischer Sichtweise ist das Klagerecht an die Kontrollkommission in der Praxis wertlos, wenn nicht gesichert ist, dass die Patienten davon erfahren.

Deshalb wird die Information darüber 4 fach gesichert:
  1. Der Psychiater muss den Patienten bei der Einweisung informieren.
  2. Das Krankenhaus muss dem Patienten eine Broschüre, die von der Kontrollkommission genehmigt wurde übergeben.
  3. Auf dem schwarzen Brett der geschlossenen Abteilung sind die Namen und Telefonnummern aller Mitglieder der Kontrollkommission angeschlagen.
  4. Die Kontrollkommission verlässt sich nicht darauf, dass das funktioniert, sondern spricht mit jedem eingewiesenen Patienten persönlich.
Also populär bin ich nicht geworden, dass ich immer wieder gefragt habe, ob das Krankenhaus das auch macht. Als ich einmal als einziger der Kommission mal den Aufschlag am schwarzen Brett genau kontrolliert habe (stimmt denn meine Telefonnummer?), waren die anderen schon weg und ich stand vor der geschlossenen Tür. Die Angestellten der geschlossenen Abteilung haben geschmunzelt. Ich fand das gar nicht lustig. 


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