in English: http://wkeim.bplaced.net/files/050731bl-en.htm
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 20. September 2005
Eingabendienst der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt
Hamburg
Postfach 10 09 02
D-20006 Hamburg
Betreff: Eingabe (Petition) Verabschiedung von einem
Informationsfreiheitsgesetz
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich beziehe mich auf das in Artikel 17 des Grundgesetzes garantierte Petitionsrecht: "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden." und Art. 25a der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, sowie das Gesetz über den Eingabenausschuss vom 18. April 1977 (GVBl. S. 91 ff.). Die Hamburger Bürgerschaft ist zuständig, dass es in der Freien und Hansestadt Hamburg noch kein Informationsfreiheitsgesetz gibt.
Die Informationsfreiheit macht das Verwaltungshandeln transparenter, indem Bürger Zugang zu behördlichen Dokumenten und Informationen bekommen. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger werden gestärkt gemäß dem Leitprojekt des Programms Moderner Staat - moderne Verwaltung unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Dieses Bürgerrecht wird im Informationszeitalter als Teil der Demokratie verstanden und ist in über 60 Staaten der Welt verwirklicht. In mehr als der Hälfte dieser Staaten z. B. Brandenburg (Art. 21 (4)) ist dieses Grundrecht in der Verfassung verankert.
Deutschland ist in 12 von 16 Bundesländern (d. h. mehr als 70 % der Bevölkerung) bisher das einzige bedeutende Land der EU, Europas, der OSZE, der OECD sowie aller entwickelten zivilisierten Länder ohne Informationsfreiheitsgesetz in Gemeinden, Kreisen und Landesebene.
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt. Diesem Pakt ist Deutschland beigetreten, verletzt ihn aber bisher in 12 Bundesländern.
Überall in Europa wurde auf der Basis der Empfehlung 81 (19) des Europarats aus dem Jahre 1981 die Informationsfreiheit eingeführt, beispielsweise fehlt auf dem Balkan nur noch Montenegro. Werden deutsche Bundesländer auch vom letzten Balkanland überholt werden? Werden in Europa übliche Standards von Bürgerfreundlichkeit in deutschen Bundesländern eine Chance haben?
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält die Informationsfreiheit in Artikel 42, das kostenlose Klagerecht in Artikel 43 (Ombudsmann) und das Recht auf begründete Antworten innerhalb angemessener Zeit in Artikel 41 (1) für Bürger.
Sowohl Hongkong als auch Shanghai haben die Informationsfreiheit eingeführt um Investoren anzulocken. Dies ist ein Test für Pläne in ganz China, eine der am schnellsten expandierenden wirtschaftlichen Wachstumsregionen in der Welt, die Informationsfreiheit einzuführen. Wird es in einigen Jahren Informationsfreiheit in China aber nicht in deutschen Bundesländern geben? Ist die deutsche Ministerialbürokratie starrer und weniger flexibel als die Kader der chinesischen Kommunistischen Partei? Kanzler Schröder hat im Sommer 2002 der Industrie zuliebe das Informationsfreiheitsgesetz gestoppt um weniger Probleme mit der Wirtschaft vor der Wahl zu haben. Aber haben die Teile der deutschen Wirtschaft (z. B. BDI), die dem Informationsfreiheitsgesetz kritisch gegenüberstehen, überhaupt kapiert um was es geht?
Die UN, OSZE und AOS bestätigten in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist:
The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.
Ich begrüße, dass die OSZE sich im Jahr 2005 auf die Informationsfreiheit konzentrieren wird und alle OSZE Staaten einschließlich Deutschland beobachten wird. Auch der Europarat wird im Zusammenhang mit einem Besuch des Menschenrechtsbeauftragten in Deutschland im Jahre 2005: http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm und eines Surveys über Informationsfreiheit Deutschland beobachten.
In Deutschland wurde ein Informationsfreiheitsgesetz seit 1998 von den von der Wählermehrheit getragenen Koalitionsparteien versprochen. Durch den "Aufstand der Amtsschimmel" wurde die Ausarbeitung des Gesetzes 7 Jahre lang verzögert. Die Koalitionsparteien haben dieses Gesetz deshalb selber erarbeitet und am 17. Dezember 2004 (BT Drs. 15/4493) in den Bundestag eingebracht. Am 3.6.05 wurde das Gesetz im Bundestag beschlossen (Plpr 15/179). Dieses Gesetz ist nur für die Bundesverwaltung und daher nicht zustimmungspflichtig. Am 8.6.05 hat der Bundesrat diesem Gesetz zugestimmt. In Schleswig-Holstein haben die 2 Abgeordneten der dänischen Minderheit trotz der Untätigkeit der Regierung schließlich eine Mehrheit dafür bekommen. Auch in Berlin und im Bund wurde trotz des Widerstandes der Verwaltung und der Regierungen die Informationsfreiheit durch das Parlament vorangebracht. Geben Sie den Deutschen in Ihrem Bundesland dieses Grund- und Menschenrecht.
Überall in Europa zuletzt in Nordrhein-Westfalen (2001 mit den Stimmen der CDU), der Türkei (2003), Schweiz (2004) und Serbien (2004) haben auch konservative Parteien bei der einstimmigen Verabschiedung mitgewirkt und zumindest nicht gegen das Bürger- und Menschenrecht der Informationsfreiheit gestimmt.
Das Wichtigste Argument für die Einführung der Transparenz staatlichen Handelns mit Hilfe der Informationsfreiheit ist das Vertrauen in den Staat zu stärken. Misstrauen kann abgebaut werden. Der "Transparency"-Chef Peter Eigen sagte "Nach einer internationalen Umfrage wird auch in Deutschland die politische Klasse für am wenigsten glaubwürdig gehalten." Bei manchen Wahlen ist die "Partei" der Nichtwähler auf dem Marsch von der relativen zur absoluten Mehrheit. Antidemokratische Tendenzen und Unmut breiten sich aus. Deshalb wäre es unverantwortlich auf die überall in Europa erprobte vertrauensschaffende Informationsfreiheit zu verzichten.
Bei der letzten Behandlung und Abweisung eines Vorschlages zur Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes kamen viele der hier aufgeführten Argumente - insbesondere der Menschenrechtscharakter - nicht zur Sprache.
Leider unterdrückt die Verwaltung das total und das ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern Europas zu wenig bekannt. Ein Beispiel dafür: Da der erste Direktor des Deutsche Institut für Menschenrechte Percy MacLean zurücktreten musste, weil er auch (wie vom Europarat in Recommendation No. R (97) 14 und den VN in der Resolution 48/134 of 20. Dezember 1993 gewünscht) Menschenrechte in Deutschland thematisieren wollte, habe ich Menschenrechtsverletzungen Deutschlands eben selber untersucht (siehe Anlage 1). Diese für mich überraschend lange Liste wurde von keinem der 14 angeschriebene offiziellen Stellen beantwortet. Viele davon sind Ihrem Namen nach den Menschenrechten verpflichtet. Die Einführung der Informationsfreiheit kann Menschenrechtsverletzungen verringern.
Verwaltungen in aller Welt wollen sich nicht gerne in die Karten schauen lassen und versuchen deshalb die allgemeine Akteneinsicht zu erschweren. Dabei beziehe ich mich auch auf mehr als 200 Jahre Erfahrung mit der Informationsfreiheit in Schweden. Die schwedische Verwaltung hat ihren Widerstand nicht aufgegeben. Das schwedische Parlament kommt zum Ergebnis, dass man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht nachgegeben wird". Mir scheint diese Frage ist geradezu ein Lackmustest, der das Kräfteverhältnis beschreibt und zeigt ob ein Parlament stark genug ist Bürgerrechte durchzusetzen.
Stellen Sie das Bürgerrecht der Informationsfreiheit über parteipolitische Überlegungen, damit endlich auch in den Bundesländern das Menschenrecht der Informationsfreiheit respektiert wird. Damit werden auch die Bundesländer in Deutschland den Anschluss an die internationale Entwicklung finden und vermeiden hinter Bananenrepubliken zurückzufallen und der Schandfleck der zivilisierten Staaten zu bleiben.
Ich sehe der Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Informationsfreiheitsgesetz ohne Wenn und Aber: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-anhoerung.htm
Wer lädt den Menschenrechtsbeauftragten des Europarats nach
Deutschland ein: http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm
Wird die OSZE die Informationsfreiheit fördern? : http://wkeim.bplaced.net/files/osce-050106.htm
Kopie: Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?)
Anlage:
Antworten:
Resultat: 29.03.06: Hamburg verabschiedet IFG (TOP 58 Drucksache 18/3909). Gesetzesblatt 11.4.06.
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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.