„Zugang zu
Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das
auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung
gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen
Offenlegung basiert".
UN, OSZE und OAS Sonderbeauftragte für den
Schutz der Meinungsfreiheit 2004
Einschreiben (Quittung)
in English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-5-laender-en.htm
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 13. 12. 2011 [hinzugefügt]
Bayerischer Landtag Ausschuss für Eingaben und Beschwerden Maximilianeum D-81627 München Petition Aktenzeichen P II/VF.0993.15 |
Bayerisches Staatsministerium des Innern Odeonsplatz 3 D-80539 München Ihr Zeichen: LB Ihre Nachricht vom 19.9.2008 |
Bayerisches Staatsministerium der Justiz (StMJ) Prielmayerstraße 7 (Justizpalast), D-80335 München Ihr Zeichen: 1402 Els - I - 9892/2007 |
Betreff: Akteneinsicht Stellungnahme über
Ablehnung der Vorschläge des Menschenrechtskommissars,
5,9 Milliarden Menschen haben bessere Einsichtsrechte
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Petition Zeichen II/VF.0993.15: Vorschläge des Menschenrechtskommissars umsetzen, öffentlich Bedienstete in Menschenrechten schulen, Judikative unabhängig machen und dem Gesetz unterwerfen wurde am 3.7.08 im Wesentlichen so beantwortet:
Die Eingabe wird vom Landtag aufgrund der Erklärungen der Staatsregierung als erledigt betrachtet. Damit werden die Vorschläge des Menschenrechtsbeauftragten des Europarates abgelehnt. Sowohl der Landtag (Anlage 1), als auch das Justizministerium (Anlage 4) und Innenministerium (Anlage 5) lehnen Einsicht ab, da die Begründung nur für Landtag sei.
Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist international als Menschenrecht anerkannt, siehe Zivilpakt und Europäische Menschenrechtskonvention (EKMR) und wird als Voraussetzung für Demokratie angesehen..
115 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen und damit bessere generelle Einsichtsrechte (über den Anwendungsbereich von Verbraucherinformation und Umweltinformation hinaus) als Bayern.
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und durch international anerkannte Menschenrechte Artikels 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt, BGBl. 1973 II S. 1534) und Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (BGBl. 1952 Teil II S. 685) geschützt, der nach Art. 59 (2) GG in ein Bundesgesetz transformiert wurden (Anlage 6).
Der deutsche Rechtsanwender ist über Art. 20 Abs. 3 GG
(„die Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden“) an die
transformierten Vorschriften des Völkerrechts gebunden. Aus der
Vorschrift folgt auch die Pflicht, sich mit Inhalt und Auslegung dieser
Vorschriften vertraut zu machen. Gemäß Art. 19
Abs. 4 GG steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen
Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Dies gilt nicht nur für
Verletzungen der Grundrechte, sondern für alle in der deutschen
Rechtsordnung geschützten Rechte. Somit erfasst die Rechtsweggarantie
des Art. 19 Abs. 4 GG auch Fälle, in denen der Staat unmittelbar
wirksame internationale Menschenrechtsnormen verletzt, die gemäß Art. 59
Abs. 2 bzw. Art. 25 GG Bestandteil des innerstaatlichen Rechts
sind.
Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte schützt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion), Rechtssache Sdruženi Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 wurde "eine ausdrückliche und unleugbare Anerkennung der Anwendung von Artikel 10 im Falle einer Verweigerung eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen oder behördlichen Dokumenten enthält". Auch die Rechtssache GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Antrag Nr. 11721/04 vom 11. April 2006 bestätigt diese Rechtsprechung. Die Rechtssache EGMR Beschwerde Nr. 37374/05 TÁRSASÁG A SZABADSÁGJOGOKÉRT ./. Ungarn vom 14.4.2009 (Anlage E) und Kenedi ./. Hungary Beschwerde Nr: 31475/05 vom 26.5.2009 (Anlage F) bestätigt diese Rechtsprechung. Artikel 46 (1) der EKMR lautet: "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen."
Dies erstreckt sich nach der Entscheidung BVerfG 2 BvR 1481/04 des Verfassungsgerichtes (Punkt 3) auf alle staatlichen Organe: "Die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR erstreckt sich auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen." Dabei sind nicht nur einzelne Urteile, sondern die Rechtsprechung des EGMR einzubeziehen: "Sind für die Beurteilung eines Sachverhalts Entscheidungen des EGMR einschlägig, so sind grundsätzlich die vom Gerichtshof in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Würdigung, namentlich die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen."
[Die UN-Menschenrechtsverträge sind 2011 und 2012 durch
die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestärkt worden. Danach
sind auch die UN Menschenrechtsverträge zur Auslegung der
verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte heranzuziehen, siehe
BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011, 2
BvR 882/09, und BVerfG, Urteil vom 18.7.2012, 1
BvL 10/10, 2 BvL 2/11. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus der Völkerrechtsfreundlichkeit
des Grundgesetzes, dass das innerstaatliche Recht einschließlich seiner
Verfassungsbestimmungen grundsätzlich völkerrechtskonform auszulegen
ist.]
Die UN, OSZE und AOS in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004 bestätigen, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist: (Anlage C):
„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."
Dies wird auch im "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt) bestätigt (Anlage D):
Weder der Landtag, das Innenministerium noch das Justizministerium, sind auf den Zivilpakt und das EMRK eingegangen, die den Rang eines Gesetzes haben. Dass die Begründungen für den Landtag geschrieben sind, ist kein Grund das Menschenrecht des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung beiseite zu schieben. Damit wird der Anspruch auf eine gemäß pflichtgemäßen "ermessensfehlerfreien" Entscheidung verletzt, der laut Landtag Baden-Württemberg ein IFG überflüssig macht (Anlage B). Der Bayrische Landtag verweist darauf, dass der Petitionsausschuss Einsicht beschließen kann.
Die Antworten Bayerns werden für einen Brief an den Menschenrechtskommissar gebraucht, der die Behandlung seiner Vorschläge betrifft (Anlage G).
Die Bundesregierung hat dem Menschenrechtskommissar versichert, dass der Rang des EMRK berücksichtigt wird (Anlage A). Diese verweigerte Akteneinsicht dokumentiert, dass das nicht stimmt. Der Menschenrechtskommissar hat mit Bedauern festgestellt, dass Menschenrechte nicht im Kernbereich der Juristenausbildung vertreten ist. Deshalb wurde vorgeschlagen, Verwaltung und Richter in Menschenrechten zu schulen. Die Antworten des Innenministeriums und Justizministeriums zeigen, dass das notwendig ist.115 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder Verfassungsbestimmungen. Damit ist diese Menschenrecht in mehr als die Hälfte der Staaten und fast allen zivilisierten Staaten in der Welt realisiert das gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts ist. "Die Entstehung von universellem Völkergewohnheitsrecht erfordert zwar nicht, daß einem Völkerrechtssatz ausnahmslos alle Staaten ausdrücklich oder durch konkludente Handlung zugestimmt haben. Dieses Völkergewohnheitsrecht muß aber auf einer allgemeinen, gefestigten Übung zahlreicher Staaten beruhen, der die Rechtsüberzeugung zugrunde liegt, daß dieses Verhalten Rechtens sei" (vgl. BVerfGE 92, 277 <320> und BVerfGE 66, 39 [64 f.]; 68, 1 [83], vgl. International Court of Justice, Reports 1969, S. 41 ff. - Festlandsockel-Fall; BVerfGE 46, 342 [367] m. w. N.).
Während sich in entwickelten und zivilisierten Ländern weltweit also die Informationsfreiheit durchgesetzt hat, ist in Deutschland das Verhältnis zwischen Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit im Wandel begriffen. In 11 Bundesländern gilt der allgemeine Aktenzugang durch ein Informationsfreiheitsgesetz. In 5 Bundesländern fehlt ein IFG.
Die rechtliche Lage bezüglich der Informationsfreiheit vor der Verabschiedung von Informationsfreiheitsgesetzen gestaltete sich so:
Die Informationsfreiheit (Rezipientenfreiheit) ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert (Art.5 Abs.1 S.1, 2.Hs GG).
"Allgemein zugänglich" sind dabei solche Informationsquellen, die technisch geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen (BVerfGE 27, 71 - Leipziger Volkszeitung).
BVerfGE 103, 44 (61): "Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet." Beispielsweise normiert § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit.
Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes und von 11 Bundesländern schafft einen solches "Jedermannsrecht" auf voraussetzungslosen Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung.
Die Verabschiedung von Informationsfreiheitsgesetzen bedeutet einen Paradigmenwechsel aus dem folgende neue Situation (aus Anlage 4: Seminararbeit zum Wandel von Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit) entsteht:
"Wie bereits dargelegt begründet das Grundrecht auf Informationsfreiheit für sich genommen keinen Informationszugangsanspruch. Nur i. V. m. zusätzlichen rechtlichen Verpflichtungen amtlicher Stellen, Zugang zu bestimmten Informationsquellen zu gewähren, werden diese Informationsquellen zu allgemein zugänglichen Quellen i. S. d. Art. 5 I 1, 2. Hs. GG. Verpflichtungen dieser Art sind insbesondere als gesetzliche Konkretisierungen des Rechtsstaats- oder des Demokratieprinzips denkbar (Vgl. BVerfGE 103, 44 (63 f.)). Als eine ebensolche Ausformung ist die Verpflichtung zur Informationszugangsgewährung nach dem IFG anzusehen, womit eine Verwehrung des Informationszugangsrechts durch eine verpflichtete Stelle
als Eingriff in das Grundrecht auf Informationsfreiheit zu qualifizieren wäre" (Vgl. BVerfGE 103, 44 (61).).Zusammenfassend ergibt sich folgendes Resultat: "Das IFG bedeutet die Abkehr vom alten und morschen Grundsatz des allg. Amtsgeheimnisses, das in Zeiten von Volksherrschaft und Informationsgesellschaft einen krassen Anachronismus darstellte. Die Informations(zugangs-)freiheit ist die Grundlage der demokratischen Meinungsbildung und das notwendige Gegenstück zur Meinungsfreiheit sowie zum Datenschutz".
Quelle: Zitiert aus Seminararbeit zum Wandel von Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit (Anlage H).
Nachdem das IFG im Bund am 1.1.06 in Kraft trat verabschiedeten Hamburg (29.3.06), Bremen (11.5.06) und Mecklenburg-Vorpommern (27.6.06, Drucksache 4/2117) und das Saarland (12.7.06, Drucksache 13/758), Thüringen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz Informationsfreiheitsgesetze. Damit haben 11 Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze.
In Bundesländern ohne Informationsfreiheitsgesetz ist Informationszugangsgewährung nach Zivilpakt und der Rechtsprechung des EGMR als Verpflichtung anzusehen, die Dokumente der öffentlichen Verwaltung "Allgemein zugänglich" macht.
Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft". Ich hoffe Bayern bietet die Gewähr dafür sich jederzeit für die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte einzusetzen.
Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft", was ich bei der Frage der Einsichtsgewährung bitte zu berücksichtigen. Artikel 46 der Konvention für Menschenrechte lautet "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen." Damit ist das Menschenrecht des Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung auch in Deutschland juristisch durchsetzbar.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Kopie: Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), 4 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze, Fraktionen Landtag Bayern
Anlage:
Antworten:
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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.