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Wird Sachsen-Anhalt den Gedanken des "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" in Europa und die Arbeit der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte COM(2005)280 fördern?
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 16. Mai 2006
Ministerium für
Gesundheit und Soziales
Turmschanzenstraße 25
D-39114 Magdeburg
Germany
Betreff: Akteneinsicht gemäß RICHTLINIE
2003/4/EG: Zu viel Uran im
Mineralwasser?
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich Akteneinsicht:
gemäß der "RICHTLINIE 2003/4/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates" (Anlage 1).
Da laut "Volksstimme" vom 13.5.2006 Sachsen-Anhalt diese EU-Richtlinie noch nicht umgesetzt hat, gilt die Richtlinie 2003/4/EG seit 15.2.06 direkt (siehe auch Gutachten: Spielräume bei der Umsetzung von EG-Richtlinien - Eine Untersuchung am Beispiel der Seveso II-Richtlinie - Gutachten erstellt im Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg. Prof. Dr. Thomas Bruha).
Dabei beziehe ich mich auf den Bericht der "Volksstimme" vom 13.5.2006 "Berliner Journalist verklagt das Land Sachsen-Anhalt auf Herausgabe von Informationen: Uran im Mineralwasser? Ministerium hält Daten geheim", von Winfried Borchert (Anlage 2). Sowohl Baden-Württemberg als auch Nordrhein-Westfalen haben entsprechende Anfragen beantwortet. Eine Erhebung des Bundesinstituts für Risikoabschätzung ( BfR ) hat viele Proben gefunden, die mehr als 15 Mikrogram je Liter aufwiesen. Dabei geht es um die Suche nach Quellen, die bis zu 71 Mikrogramm je Liter Werte erreichen. Was hat Sachsen-Anhalt zu verbergen, dass beim Verwaltungsgericht Steuergelder verplempert werden, um gegen Bürgerrechte zu prozessieren? Der in der "Volksstimme" vom 13.5.2006 berichtete unverfrorene Gesetzesbruch, die EU-Richtlinie gelte nicht in Sachsen-Anhalt ist schon ein starkes Stück (Verwaltungsgericht Magdeburg Az. 5 A383/05 MD).
Die Richtlinie 2003/4/EG erstattet die Richtlinie RL 90/313/EWG über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, die in Deutschland verspätet umgesetzt wurde (Frist war der 31.12.1992; das Gesetz wurde erst am 15. Juli 1994 verkündet). Da die Umsetzung damals zu restriktiv war und versuchte mit hohen Gebühren das Einsichtsrecht zu behindern und damit hinter der Richtlinie zurück fiel hat der Europäische Gerichtshof auf Antrag der EU Kommission Deutschland verurteilt (Rechtssache C-217/97) Anpassungen vorzunehmen. Hat Sachsen-Anhalt daraus nicht gelernt?
Die Anpassung 2003 war durch die Aarhus-Konvention notwendig geworden.
Im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 19 Febuar 1998 Guerra & Others v. Italy etablierte das Menschenrecht auf Umweltinformationen. Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind für deutsche Gerichte zwingend gemäß Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen."
Auch Artikel 19 (2) des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) enthält neben der Meinungsfreiheit die Freiheit "Informationen ... sich zu beschaffen" ("to seek information"), d. h. eine über das Umweltrecht hinausgehende generelle Akteneinsicht.
Im Bericht des UNHCR-Special Rapporteur, Mr. Abid Hussain, "Promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression", E/CN.4/1998/40, speziell Part III. A. The right to seek and receive information, fordert die Informationsfreiheit (inklusive Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) als Voraussetzung für die Meinungsfreiheit.
Dass sich das Recht auf die Informationssuche und -zugang auch auf Behörden bezieht, zeigt sich in folgendem UN-Bericht (UN Doc. E/CN.4/1999/64) von 1999. Darin heißt es eindeutig:
"[T]he Special Rapporteur expresses again his view, and emphasizes, that everyone has the right to seek, receive and impart information and that this imposes a positive obligation on States to ensure access to information, particularly with regard to information held by Government in all types of storage and retrieval systems - including film, microfiche, electronic capacities, video and photographs - subject only to such restrictions as referred to in article 19, paragraph 3, of the International Covenant on Civil and Political Rights."
Die Ausnahmen in Artikel 19 (3) IPbürgR rechtfertigen in keiner Weise Beschränkungen, wie sie in Sachsen-Anhalt gelten:
Die Ausübung der in Absatz 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind
a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer;
b) für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit.
Dies ist der Hintergrund, dass die UN, OSZE und AOS in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004 bestätigen, dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist:
The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.
International haben nun mehr als 65 Staaten sowohl in der EU, in Europa, der OSZE, der OECD sowie fast alle entwickelten zivilisierten Länder Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet. Mehr als die Hälfte dieser Staaten hat dieses Menschenrecht in der Verfassung verankert. Darüber hinaus haben ca. 40 Staaten entsprechende Verfassungsgarantien ohne konkrete gesetzliche Ausformung.
Meine Petition vom 30.9.06 bezüglich Informationsfreiheitsgesetzen in 12 deutschen Bundesländern wurde bisher von 2 Bundesländer (Hamburg am 29.3.06 und Bremen am 11.5.06) mit der Verabschiedung von Informationsfreiheitsgesetzen beantwortet. In den Bundesländern Saarland (Drucksache 13/758, 1.2.06) und Mecklenburg-Vorpommern (erste Lesung 8.3.06) werden solche Gesetzentwürfe von Parlamentsmehrheiten unterstützt. Damit werden am Ende diese Jahres mindestens 8 von 16 Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet haben. Allerdings war Sachsen-Anhalt und Sachsen (entgegen der Opposition) negativ, d. h. die Parlamentsmehrheit bietet nicht die Gewähr dafür, sich jederzeit für das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzusetzen. Wann werden die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft" (Artikel 1 (2) GG) auf diesem Gebiet auch in Sachsen-Anhalt verwirklicht werden?
Ich sehe der Gewährung der Akteneinsicht ohne schuldhafte Verzögerung entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Wer lädt den Menschenrechtsbeauftragten des Europarats nach
Deutschland ein: http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm
Wird die OSZE die Informationsfreiheit fördern? : http://wkeim.bplaced.net/files/osce-050106.htm
Kopie: Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), Fraktionen der 10 deutschen Landesparlamente ohne Informationsfreiheit, EU Commission, EU Parliament, EU Council, Council of Europe, OSCE, OECD, PACE und UN
Anlage:
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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.