Walter Keim,
E-Mail: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, 4. Juli 2011
An
Herrn Winfried Hermann
Minister für Verkehr und Infrastruktur
Baden-Württemberg (MVI)
Postfach 10 34 39
D-70029 Stuttgart
Kopie: Teilnehmer der Schlichtung
Betreff: Intransparenz und Falschspiel der Bahn und des BMVBS bei
Stuttgart 21
Sehr geehrter Herr Minister Hermann,
Offenheit, Transparenz, "alle Fakten auf den Tisch" waren
Voraussetzungen für die Schlichtung, der sich auch die Bahn anschloss.
Das
"Ende
der Mogelei" (Spiegel online, 11.10.2010) wurde versprochen.
Um herauszufinden, ob das auch stimmt habe ich am 25.10.2010 (
Anlage
1) Akteneinsicht gemäß Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des
Bundes gestellt in:
-
Wirtschaftlichkeitsprüfung
Stuttgart 21 und Neubaustrecke 2006
- Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsprüfung 2007
- "Neubewertung der Nutzen-Kosten-Analyse der Neubaustrecke Wendlingen
– Ulm"
Im Widerspruch gegen die Ablehnung vom 11.12.2010 (
Anlage
4) wurde die Einsicht im Wesentlichen auf das Datum, das
Inhaltsverzeichnis, Gesamtkosten und das Kosten-Nutzen-Verhältnis
eingeschränkt.
Trotzdem hat das BMVBS auf
Verlangen
der Bahn nur folgende Information aus der Zusammenfassung der
Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsprüfung datiert 19.4.2007 (
Anlage
9):
"Unter der Annahme, dass alle eingeplanten
Finanzierungsbeiträge zugesagt werden, ergibt sich aus der von uns
angepassten Wirtschaftlichkeitsberechnung im weitesten Sinne ein nahezu
ausgeglichener Kapitalwert für die BD AG".
Die Verweigerung der Einsicht in die Gesamtkosten und abwegige
Behauptung, das sei ein Geschäftsgeheimnis ist ein Affront gegen die
Informationsfreiheit nach dem IFG.
Hätte die Freigabe der Gesamtkosten den Bericht im Nachrichtenmagazin
Der Spiegel über frisierte Kostenrechnungen (
Anlage
11) bestätigt und wurde deshalb zurückgehalten? Wird die 4,5
Milliarder Grenze überschritten?
Schlichtung (
Materialien
26.11.2010) nennen als "
Basis
für die Finanzierungsvereinbarung (vom 02.04.2009) der NBS Wendlingen
-Ulm waren Gesamtkosten von 2.025 Mio. EUR mit Kosten-und Planungsstand
2004" (siehe auch
Finanzierungsvereinbarung zum
Bahnprojekt Stuttgart–Ulm. Landtag von
Baden-Württemberg (Hrsg.): Drucksache 14/4382 vom 22. April 2009). Der
aktuelle Stand 2010 ist 2.890 Mio.
Da mit den Mitteln des IFG (
Anlage
10) bisher kein Mindestmaß an
Einsicht möglich war, habe ich mich an den Bundesbeauftragten für
Datenschutz und Informationsfreiheit gewandt (
Anlage
6).
Information ist Macht, die sowohl Wähler als Gewählte benötigen.
Informationszugang für Wähler und Volksvertreter wird in der
zivilisierten Welt als Voraussetzung für Demokratie angesehen. Wo ist
die demokratische Legitimation, wenn nicht mal Parlamentarier und
andere Entscheidungsträger richtig informiert sind?
Deshalb begrüße ich es, dass die Grünen im Bund beim
Bundesverfassungsgericht klagen, um Auskunftsrechte für Parlamentarier
durchzusetzen (
Anlage
12).
Seit 2001 habe ich
vergeblich in
Petitionen
geschrieben in denen ein IFG für Baden-Württemberg vorgeschlagen
wird, z. B.
Petition
13/00824,
13/6099
, Anhörung
zum Vorschlag und
Petition
14/24048.
Dabei wurde darauf hingewiesen, dass das menschenrecht auf Zugang zu
Informationen der öffentlichen Verwaltung international als
Vorraussetzung für Demokratie angesehen wird. Auch die Grünen in
BW haben am 10.3.2008 schon einen Gesetzesvorschlag für win IFG
eingebracht siehe
Drucksache
14/2468.
Deshalb ist es sehr positiv dass der Koalitionsvertrag ein
bürgerfreundliches
Informationsfreiheitsgesetz für Baden-Württemberg angekündigt (Anlage
13). Damit hat die Geheimniskrämere in BaWü ein Ende. In Europa fehlen
Informationsfreiheitsgesetze im wesentlichen nur noch in Weißrussland
und 5 CDU/CSU regierten Ländern. Nachdem die wirtschaftlich
aufstrebenden BRICS-Staaten Indien 2005, China 2008, Russland 2010 und
Brasilien 2011 den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen
Verwaltung gesetzlich geregelt haben,
fehlt
weltweit im Wesentlichen nur noch Afrika und der Nahe Osten. Mehr als 4,5
Milliarden Menschen haben Zugang zu Dokumenten der öffentlichen
Verwaltung. Zuletzt
haben
Nigeria
(
3.7.11)
und die Mongolei (
17.7.11)
Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet. Tunesien (
Mai
2011) hat ein entsprechendes Dekret verabschiedet. Die
vorgeschlagene
neue
Verfassung Marokkos hat auch eine entsprechende Bestimmung.
Die hier dokumentierte Geheimniskrämerei bezüglich der Gesamtkosten
zeigt, dass das Bekenntnis zur Offenheit nicht echt ist. Die Bahn
benutzt ihr Wissen als Herrschaftsinstrument zur Manipulation der
Parlamente und Öffentlichkeit. Zwar wird das Geld des Steuerzahlers
eingefordert, aber die Verpflichtung zur Information der
Entscheidungsträger der repräsentativen Demokratie verweigert. Damit
tritt Bahnchef Grube in die Fußstapfen von Mehdorn, der bekanntlich die
Presse durch Entzug von Reklameeinkünften knebelte.
Mit freundlichen Grüßen
--
Walter Keim
Netizen: http://sites.google.com/site/walterkeim/
Anlagen:
- 25.10.2010: Antrag
beim BMVBS: http://wkeim.bplaced.net/files/101026bmv.htm
- 02.11.2010: Bundeskanzleramt
weisst auf BMVBS hin
- 26.11.2010 (angekommen 3.12.2010): BMVS
antwortet dass die von der DB AG 2006 durchgeführten
Wirtschaftlichkeitsberechnung und der 2007 im Auftrag des Bundes
durchgeführten Prüfung Betriebsgeheimnissen sind. Bezüglich
der Neubewertung 2010 wird auf die Bedarfsplanung
vom 11.11.2010 hingewiesen: http://wkeim.bplaced.net/files/101126bmv.pdf
- 11.12.2010: Widerspruch
gegen Ablehnung der Akteneinsicht mit Kopi an den
Informationsfreiheitsbeauftragten (bfdi).
- 04.01.2010: Der Informationsfreiheitsbeauftragte des Bundes bittet
den BMVBS um Stellungnahme: http://wkeim.bplaced.net/files/1012bmv.htm
- 26.01.2011: Informationszugang
als Akt zivilgesellschaftlicher Notwehr um ein
bisschen Demokratie zu verwirklichen.
- 16.02.2011: Der Informationsfreiheitsbeauftragte (bfdi): Das
Drittbeteiligungsverfahren mit der Deutschen Bahn AG sowie einem
Wirtschaftsprüfer/Gutachter ist nach Auskunft des Ministeriumsderzeit
noch nicht abgeschlossen.
- 11.04.2011: Sachstandsanfrage
bezüglich des Widerspruchs vom 11.12.2010 Akteneinsicht Gutachten
Neubaustrecke.
- 14.04.2011: BMVBS
gibt 2 Sätze der Konklusion des Wirtschaftlichkeitsgutachtens von 2007
frei, lehnt aber alles andere ab, basierend auf den Vorgaben
der Bahn vom 23.3.11: http://wkeim.bplaced.net/files/110414bmv.pdf
- Zusammenfassung: Akteneinsichtsanträge
helfen nicht um ein bisschen Demokratie zu verwirklichen und Licht in
das Dunkel von Stuttgart 21 bringen: http://wkeim.bplaced.net/files/if-stuttgart21.htm
- 03.07.2011: Der Spiegel: Interne
Unterlagen. Bahn soll Stuttgart-21-Kosten frisiert haben (Druckausgabe):
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,772001,00.html
- 22.03.2011: www.123recht.net: Grüne
klagen auf Offenlegung der Verträge zu "Stuttgart 21" beim
Bundesverfassungsgericht
- 20.06.2011: Baden-Württemberg: Das
Ende der Geheimniskrämerei. http://www.informationsfreiheitsgesetz.net/blog/2011/06/20/baden-wurttemberg-das-ende-der-geheimniskramerei/
Im Internet publiziert: