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Knowledge will forever govern ignorance, and a people who mean to be their own governors,
must arm themselves with the power knowledge gives. A popular government without popular
information or the means of acquiring it, is but a prologue to a farce or a tragedy or perhaps both.

-- James Madison

Der Erfolgreichste im Leben ist der, der am Besten informiert ist. (Benjamin Disraeli)

Frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht. (Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft)

English on same subject in English: http://wkeim.bplaced.net/foi.htm

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 19. 4. 2007


Deutscher Bundestag Verwaltung ZR4
Behördlicher Datenschutzbeauftragter
, z. Hd. von Herrn Kolodziej-Derfert und Herrn Trenkler
Platz der Republik 1
D-10557 Berlin

Copy: Commissioner for Human Rights Council of Europe, EU Fundamental Rights Agency, OSCE, OECD, PACE, UN,
           MPs Otto, Laurischk, Kolb (FDP), Danckert (SPD), Wolfgang Götzer, Max Straubinger (CSU), Siegfried Kauder, Marco Wanderwitz, Friederich Merz (CDU)

Betreff: Widerspruch Geschäftszeichen 1334/IFG: Veröffentlichung von Nebentätigkeiten gemäß § 44 b (4) AgbgG, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 25 GG, Art. 5 GG i. Vb.m. IFG, Art. 10 EKMR und Art. 19 IPbürgR
Bezug:
Ihr Brief vom 12.4.07   

 

Sehr geehrter Herr Kolodziej-Derfert, 

Ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 12.4.07. Gegen die Verweigerung der Veröffentlichung/Akteneinsicht lege ich Widerspruch ein.

Zunächst schreiben Sie: "Das IFG findet im Bereich der
Veröffentlichung von Nebentätigkeiten und Einkünften der Abgeordneten keine Anwendung.
Nach § 1 Abs. 3 IFG gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu
amtlichen Informationen den Regelungen des IFG vor. Einschlägig sind vorliegend allein die
Regelungen des Abgeordnetengesetzes (§§ 44 a und b AbgG) in Verbindung mit den
Verhaltensregeln (Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages). Diese
Regelungen sind abschließend und bereichsspezifisch. Ein Akteneinsichtsanspruch nach dem
IFG besteht somit nicht. Ein Ihrem Antrag entsprechender Einsichtsanspruch nach dem
 Abgeordnetengesetz und den Verhaltensregeln besteht ebenfalls nicht.
"

Das "Spannungsverhältnis zwischen den widerstreitenden Interessen der
Transparenz des parlamentarischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses einerseits
und dem Interesse der Abgeordneten an der Wahrung ihrer Privatsphäre andererseits, hat der
Deutsche Bundestag als rechtsetzendes Organ mit den Regelungen im Abgeordnetengesetz
und den Verhaltensregeln aufgelöst."

Weiter bestätigen Sie die Gültigkeit des AbgG so: "Das IFG stellt als allgemeine Regelung bewusst keinen
Mindeststandard für den Zugang zu amtlichen Informationen auf. Vielmehr müssen
fachspezifische Regelungen, auch wenn sie den Zugang zu amtlichen Informationen nur unter
engeren Voraussetzungen gewähren, vollständig vorgehen (Jastrow/
Schlatmann § 1 Rn 55, 58). Mit den Regelungen im Abgeordnetengesetz und den
Verhaltensregeln hat der Gesetzgeber die Veröffentlichung der Nebentätigkeiten und
Nebeneinkünfte der Abgeordneten bereichsspezifisch geregelt."

Ich beziehe mich auf die am 18.10.06 in Kraft gesetzten Neuen Richtlinien zur Offenlegung der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten und die Anlage 1: Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages und bitte Sie mir die Internetadresse mitzuteilen der gemäß § 44 b (4) AgbgG i.Vb.m.§ 3 Anlage 1 zu veröffentlichten Nebeneinkünfte:

§3 Veröffentlichung

Die Angaben gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 6 werden im Amtlichen Handbuch und auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages veröffentlicht.

Ich weiße darauf hin, dass Sie gemäß Art. 20 (3) GG an Gesetz und Recht gebunden sind und deshalb nicht willkürlich Gesetze außer Kraft setzen können.

Wenn Sie zur Angabe der gesetzlich verordneten Internetpublikation nicht in der Lage sind, fällt offenbar die Voraussetzung, dass das AbgG gilt weg und ich

  1. verlange einen Rechtsbelehrung, wie ich gegen den den Verstoß gegen § 44 b (4) AgbgG vorgehen kann und
  2. erheben Widerspruch gegen die Verweigerung der am 10.3.07 beantragten Zusendung einer elektronischen Kopie, da ja das "vorrangige" AbgG suspendiert ist.

Als Bürger des europäischen Raums der Freiheit bin ich nämlich das Menschenrecht der Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung nach Art. 10 EKMR, BGBl. 1952 Teil II S. 685 und Art. 19 IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) gewöhnt und lasse mich deshalb nicht so einfach ins Bockshorn jagen und mir dieses Menschenrecht nehmen.

Wie Sie richtig ausführen gibt das Abgeordnetengesetz keinen Akteneinsichtsanspruch und ist deshalb keine fachspezifische Regelung im Sinne des IFG. Deshalb greift Jastrow/Schlatmann § 1 Rn 55, 58 nicht. Beispielsweise hat das Bundespräsidialamt mir am 9.1.07 Einsicht in den Brief des Bundespräsidenten vom 8.12.06 durch die Zusendung der im Internet publizierten Bundestagsdrucksache 16/3866 erteilt. Der Bundesrat hat am 29.01.2007 Einsicht in den selben Brief durch Zusendung der Drucksache 584/06 des Bundesrates gegeben, obwohl er nur eine Kopie des Antrages an den Bundespräsidenten erhielt. Besonders merkwürdig ist Ihre Argumentation auf Grund der Tatsache, dass ja die Veröffentlichung nicht stattfindet.

Offensichtlich ist die Veröffentlichung nach § 44 b (4) AgbgG nicht vollzogen, das heißt trotz Inkraftsetzung nicht zugänglich für Bürger. Auch deshalb kann diese Nichtrealisierte Regelung nicht den Anspruch gemäß IFG stoppen.

Natürlich ist mir bekannt, dass die Abgeordneten Hans-Joachim Otto, Sibylle Laurischk, und Heinrich Leonhard Kolb von der FDP, Peter Danckert von der SPD, Wolfgang Götzer und Max Straubinger von der CSU sowie Siegfried Kauder, Marco Wanderwitz und Friederich Merz von der CDU, mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht erreichen wollen, dass ihre Nebeneinkünfte auch künftig den Licht der Öffentlichkeit entzogen sind. Was haben die zu verbergen? Eine einstweilige Verfügung des Verfassungsgerichts liegt jedoch nicht vor.

Das Vertrauen des deutschen Volkes in seine Repräsentativorgane ist in besorgniserregender Weise geschwächt. So halten die Deutschen politische Parteien und Legislativorgane an erster bzw. an dritter Stelle für die korruptesten Institutionen der Gesellschaft. Inwieweit diese Wahrnehmung der Wirklichkeit entspricht, kann dahingestellt bleiben – jedenfalls ist es ein Signal dafür, dass das Vertrauen in die politischen Funktionsträger gestärkt werden muss, denn „die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes“, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Diätenurteil (BVerfG v. 5.11.1975 – 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296ff., Rz. 61.).

SPIEGEL ONLINE berichtete am 25.03.2006 über Nebenverdienst : Parlamentspräsident bezieht Geld vom Kohle-Konzern.
Bundestagspräsident Norbert Lammert erhält jährlich 25.000 Euro vom Energiekonzern RAG - zusätzlich zu den normalen Bezügen als Politiker. Es gebe da gar keine Interessenkonflikte, sagt Lammert. Dabei ist der Umgang mit dem Kohleunternehmen seit jeher ein Politikum.

Werden hier durch den Bundespräsidenten persönliche Interessen des Bundestagspräsidenten über die Bindung an Recht und Gesetz gestellt?

Herr Lammert ist also selber persönlich in Diskussionen um Nebentätigkeiten verwickelt und deshalb befangen und nicht zur Vertretung beim Bundesverfassungsgericht einem überzeugten Befürworter zu überlassen.  Es ist ein Armutszeugnis für den Bundestag, dass hier Gegnern der Offenlegung der Nebentätigkeit und Gesetzesbrechern das Feld frei überlassen wird.

Der Staatsrechtler Prof. Hans-Herbert von Arnim bezeichnet es im Campact-Interview (Anlage 1) als "offenen Gesetzesbruch", dass Bundestagspräsiden Lammers die Veröffentlichung von Nebentätigkeiten sabotiert. "§ 44a des Abgeordnetengesetzes sowie die Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete verlangen zwingend die Veröffentlichung der Angaben." Lammert sei somit gar nicht befugt, die Anwendung des Gesetzes auszusetzen, kritisiert der Staatsrechtler. „Der Bundestagspräsident ist nicht befugt, die Anwendung des Gesetzes auszusetzen. Das könnte allenfalls das Bundesverfassungsgericht.“ Hierfür hätten die klagenden Abgeordneten beim Gericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung stellen müssen, über die das Gericht dann zu entscheiden habe.

Damit das Verfassungsgericht darüber Bescheid weiß und die Befangenheit des Bundestagspräsidenten nicht unwidersprochen dasteht, habe ich beim Verfassungsgericht am 10.4.07 als Betroffener interveniert (Anlage 1).

Der Zweck der Veröffentlichung der Nebentätigkeit, wie auch der Informationsfreiheit ist die Vertrauen der Bürger in die Politik und den Staat zu stärken. International ist das Vertrauen der Bürger sehr gering (Volk ohne Vertrauen: 80 % Misstrauen), weil die Transparenz der Abgeordnetentätigkeiten fehlt und auch die Informationsfreiheit neu (im Bund seit 1.1.06, in 8 Bundesländern unbekannt) und beschränkt ist im Gegensatz zum Ausland. In England zeigen Untersuchungen dass Tranparenz Vertrauen schafft. International hinken die Veröffentlichungspflichten von Abgeordneten in Deutschland der Praxis vielen Ländern hinterher. Die am 09. November 2003 unterzeichnete und am 14. Dezember 2005 in Kraft getretene UN Konvention gegen Korruption ist von Deutschland noch nicht ratifiziert. Zuvor muss insbesondere der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung in § 108e des Strafgesetzbuchs erweitert werden. Bisher ist Abgeordnetenbestechung nicht streng genug, d. h. aufgrund internationaler UN Konventionen verbotene Abgeordnetenbestechung ist in Deutschland "legal".

Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und auch durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt.

Die Vereinten Nationen, die OSZE und AOS bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist:

The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.

In ca. 70 Staaten ist der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung in der Verfassung verankert. Weitere ca. 40 Staaten haben dieses Menschenrecht gesetzlich verankert. Damit ist das Menschenrecht des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung in mehr als die Hälfte der Staaten in der Welt und fast allen Staaten in Europa realisiert das gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts ist.

Nach guten Erfahrungen mit der Verwaltungstransparenz in Hong Kong (1998), Guangzhou (2002), Shanghai (2004) wurde am 24.4.07 nun für ganz China eine Informationsfreiheitsdekret, das die Verwaltungstransparenz einführt, verabschiedet.

Das Grundrecht der Informationsfreiheit ist wie das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]). Traditionell wird die Informationsfreiheit durch Art. 5 GG gesichert. Nach BVerfGE 27, 71 sind Quellen allgemein zugänglich, "wenn die Informationsquelle technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen." Informationsfreiheitsgesetze in den Bundesländern und im Bund schaffen solche Jedermannsrechte und damit eine neue Situation. Dort wird gesetzlich bestimmt: "Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.", d. h. ein "Jedermannsrecht". Dadurch werden diese Vorgänge und Dokumente zur allgemein zugänglichen Quelle. Zusätzlich kann nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts BVerfGE 103, 44 (61, 63 ff.) Allgemeinzugänglichkeit auch aus Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip geboten sein. Eine moderne Auffassung von Rechts- und Demokratieprinzips verpflichtet zur Transparenz. BVerfGE 103, 44 (61): "Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet."  Beispielsweise normiert § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit.

Auf der Grundlage eines gesetzlichen Jedermannsrechts zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung im Bund, kombiniert mit Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip unterliegt die Verwaltung Transparenz und Publizitätsanforderungen die verfassungsrechtlich fundiert sind. Aus Art. 1 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG folgt die verfassungsrechtliche Pflicht, auch bei der Anwendung der deutschen Grundrechte die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrer konkreten Ausgestaltung heranzuziehen.

Auch Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EKMR, BGBl. 1952 Teil II S. 685) schützt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion), Rechtssache Sdruženi Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 wurde "eine ausdrückliche und unleugbare Anerkennung der Anwendung von Artikel 10 im Falle einer Verweigerung eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen oder behördlichen Dokumenten enthält". Auch die Rechtssache GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Antrag Nr. 11721/04 vom 11. April 2006 bestätigt diese Rechtsprechung.

Die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR erstreckt sich auf alle staatlichen Organe (also den Bundestagspräsidenten und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen. Zur Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehört die Berücksichtigung des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR), die Gewährleistungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EKMR) und der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. (BVerfG 2 BvR 1481/04). Die Gewährleistungen der Konvention beeinflussen auch die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes. Aus Art. 1 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG folgt die verfassungsrechtliche Pflicht, auch bei der Anwendung der deutschen Grundrechte die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrer konkreten Ausgestaltung heranzuziehen.

Ihre Entscheidung vom 12.4.07 verstößt gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, da Sie sich nicht mit der Rechtsprechung des EGMR auseinandergesetzt haben. Nur ein Grundrecht hätte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung das Einsichtsrecht nach der EKMR zur Seite setzen können.

Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), Luzius Wildhaber, hat Deutschland zur Umsetzung der Straßburger Urteile ermahnt: Deutschland solle sich "näher mit dem System der Menschenrechtskonvention befassen", sagte Wildhaber am 8.12.06 im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe offensichtlich "einige Wissenslücken", auch bei deutschen Richtern, betonte der 69-jährige Schweizer, der den Straßburger Gerichtshof im Januar aus Altersgründen verlassen wird. Wildhaber verwies auf Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Darin sei unmissverständlich festgelegt, dass die Unterzeichnerstaaten die endgültigen Urteile des Gerichtshofs "befolgen" müssen. Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist nach der neuesten Rechtsprechung des EGMR ein Menschenrecht.

Auch der Ministerrat des Europarates hat mit der "Empfehlung Rec(2004)6 über die Verbesserung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe" gefordert, die Rechtsprechung des EGMR bei Gerichten und Verwaltungen bekannter gemacht wird und mehr beachtet wird, um den EGMR zu entlasten:

I. durch eine stetige Überwachung im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs sicherzustellen, dass für alle Personen, die in vertretbarer Weise eine Konventionsverletzung geltend machen, innerstaatliche Rechtsbehelfe bestehen und dass diese Rechtsbehelfe insoweit wirksam sind, als sie zu einer Entscheidung über die Begründetheit der Beschwerde und einer angemessenen Abhilfe jeder festgestellten Verletzung führen können.

II. im Anschluss an Urteile des Gerichtshofs, die strukturelle oder allgemeine Defizite im Recht oder in der Praxis des Staates aufzeigen, die Wirksamkeit der bestehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe zu überprüfen und gegebenenfalls wirksame Rechtsbehelfe zu schaffen, um zu vermeiden, dass der Gerichtshof mit wiederkehrenden Rechtssachen befasst wird;

III. besondere Aufmerksamkeit - im Rahmen der Punkte I und II - dem Bestehen wirksamer Rechtsbehelfe im Falle einer vertretbaren Rüge der überlangen Verfahrensdauer von Gerichtsverfahren zu schenken;

Der Europarat schlägt in der Empfehlung Rec(2004)5 über die "Überprüfung der Vereinbarkeit von Gesetzentwürfen mit der EKMR den Mitgliedstaaten" vor, unter Berücksichtigung der im Anhang aufgeführten Beispiele einer guten Praxis:

I. dafür Sorge zu tragen, dass angemessene und wirksame Mechanismen bestehen, um die Vereinbarkeit von Gesetzentwürfen mit der Konvention im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs systematisch zu überprüfen;

II. dafür Sorge zu tragen, dass solche Mechanismen bestehen, um bei Bedarf die Vereinbarkeit der geltenden Gesetze und der Verwaltungspraktiken, wie sie insbesondere in Verordnungen, Erlassen und Rundschreiben zum Ausdruck kommen, zu überprüfen;

III. für eine möglichst umgehende Anpassung ihrer Gesetze und Verwaltungspraktiken Sorge zu tragen, um Konventionsverletzungen zu vermeiden;

Der durch das IFG 2006 angestoßene Übergang und Paradigmenwechsel ist eine Kulturrevolution im Verhältnis von Bürger zum Staat. Im Bereich des Europarates wurde das aufgrund der Empfehlung Nr. 854 (1979) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates betr. den Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsunterlagen und die Informationsfreiheit und war in dem meisten Ländern bereits abgeschlossen als das IFG im Jahr 2006 in Kraft trat. Daran müssen sich die Machthaber in Deutschland erst gewöhnen.

Aber laut Artikel 1 (2) GG sind auch in Deutschland die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft". Artikel 46 der Konvention für Menschenrechte lautet ""Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen." Damit ist das Menschenrecht des Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung auch in Deutschland juristisch durchsetzbar. Das gilt auch für widerrechtlich unter Verschluss gehaltenen Informationen des Bundestagspräsidenten.

Mit freundlichen Grüßen  

Walter Keim
Keim gegen Deutschland Antrag Nr. 41126/05 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-061101.htm 

Kopie: Bundestagspräsident, Verfassungsgericht 2 BvE 1/06 (Verfassungsrichter Siegfried Broß und Udo Di Fabio), alle Bundestagsabgeordneten, Bundeskanzlerin, Bundesrat, campact, Verbraucherzentrale, Deutscher Presserat, Deutsche Presse, TV Stationen, Kopien auch an 8 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze

Anlage:

  1. 10.04.07: Nebeninternetion beim Bundesverfassungsgericht: http://wkeim.bplaced.net/files/070410bvg.htm
  2. Keim gegen Deutschland Antrag Nr. 41126/05 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-061101.htm
  3. 12. März 2006: Die Welt: Volk ohne Vertrauen: http://www.welt.de/print-wams/article139735/Ein_Volk__ohne__Vertrauen.html
  4. 10. July 2006: Sdruženi Jihoceské Matky v. Czech Republic, Application no. 19101/03 , Decision of  ECHR Admissibility of Access to information: .http://merlin.obs.coe.int/iris/2006/9/article1
  5. stern-Artikel aus Heft 42/2006 Forsa-Umfrage: 90% der Bürger/innen für eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte: http://www.stern.de/presse/vorab/573649.html?nv=ct_mt
  6. Vereinten Nationen, die OSZE und AOS bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1 dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist.
  7. Leitsätze BVerfG 2 BvR 1481/04: http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/04/2-bvr-1481-04.php.
  8. Empfehlung Nr. 854 (1979) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates betr. den Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsunterlagen und die Informationsfreiheit: http://wkeim.bplaced.net/files/empf_854_1979.htm.
  9. 10. März 2006 Bundestagspräsident suspendiert Veröffentlichung: http://www.campact.de/img/nebenekft/docs/Lammert_Brief.pdf

 

Antworten:

Entwicklung:

 

 

Tabellarische Übersichten: Menschenrecht Informationsfreiheit im Bundesgesetzblatt (BGBl.)

Europarat zur Informationsfreiheit:

Organisation Name mit Link Über-
setzung
Europarat, 4.11.1950 Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (BGBl. 1952 Teil II S. 685): Artikel 11: Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit English
Parlamentarische Versammlung, 1979 Empfehlung Nr. 854 (1979) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates betr. den Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsunterlagen und die Informationsfreiheit: http://wkeim.bplaced.net/files/empf_854_1979.htm English
Europarat, 1981 "Recommendation No. R (81) 19" on the access to information held by public authorities.  
Parlamentarische Versammlung, 1986 Recommendation 1037 (1986). On Data Protection and Freedom of Information  
Europarat, 2002 Empfehlung Rec (2002) 2 des Ministerausschusses an die Mitgliedstaaten
zum Zugang zu amtlichen Dokumenten
: http://www.fr.ch/ofl/de/cst2004/empf_2002_2.pdf
English
Europarat, 2004 Empfehlung Rec(2004)6 über die Verbesserung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe: http://egmr.org/minkom/ch/rec2004-6.pdf English
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 2006 Rechtssache Sdruženi Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 English
Europarat, 2006 Arbeit an bindender Konvention. CDDH: Project 2004/DG2/74 “Guaranteeing the right of the public to have access to official documents”: http://wkeim.bplaced.net/files/project_2004dg274.htm  

 

Vereinte Nationen (UN) und UNECE zur Informationsfreiheit:

Organisation Name mit Link Über-
setzung
Generalversammlung, 10.12. 1948 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Artikel 19: ...Freiheit ... "Informationen (...) zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten." English
Vereinte Nationen, 1966 Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. (BGBl. 1973 II S. 1534) Artikel 19: Freiheit ... "Informationen (...) sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben." English
Europa UNECE, 1998 United Nations Economic Commission for Europe: Umweltschutz: Die Aarhus Konvention: http://www.unece.org/env/pp/acig.htm English
COMMISSION ON HUMAN RIGHTS, 1998 E/CN.4/1998/40, 28 January 1998: Promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression Report of the Special Rapporteur, Mr. Abid Hussain, submitted pursuant to Commission on Human Rights resolution 1997/26: III A  
COMMISSION ON HUMAN RIGHTS, 2000 E/CN.4/2000/63, 18 January 2000: Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression, Mr. Abid Hussain, submitted in accordance with Commission resolution 1999/36: III B  
UN Special Rapporteur, 2004 JOINT DECLARATION by the UN Special Rapporteur on Freedom of Opinion and Expression, the OSCE Representative on Freedom of the Media and the OAS Special Rapporteur on Freedom of Expression: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1: "The right to access information held by public authorities is a fundamental human right right"  

 

 

 

 

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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

 

Informationsfreiheitgesetze in Deutschland

Informationsfreiheit in Europa