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Warum verschließt sich die Regierung und das Parlament in Baden-Württemberg dem Gedanken des "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" in Europa gemäß der Fundamental Rights Agency (COM(2005)280) ?

English in English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/050731bl-en.htm

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 11. 8. 2006


An den Sozialminister des
Landes Baden-Württemberg
Konrad Adenauer Str. 3
D-70173 Stuttgart



Betreff: Akteneinsicht Stellungnahme Petition 13/6099 Menschenrechte für Bürger und Patienten und verfassungsrechtliche Verankerung der Informationsfreiheit   

 

Sehr geehrte Damen und Herren,  

Ich beziehe mich auf meine Petition 13/6099, der nicht abgeholfen wurde.

Deshalb beantrage ich mir Ihre Stellungnahme zur Petition 13/6099 zuzusenden:

Unter berechtigtem Interesse ist dabei jedes verständliche, durch die Sachlage berechtigte schutzwürdige Interesse zu verstehen, das rechtlicher aber auch wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann.

Als im europäischen Raum der Freiheit wohnend möchte ich den Hintergrund hier so erklären:

Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte schützt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion), Rechtssache Sdruženi Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 wurde "eine ausdrückliche und unleugbare Anerkennung der Anwendung von Artikel 10 im Falle einer Verweigerung eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen oder behördlichen Dokumenten enthält". Auch die Rechtssache GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Antrag Nr. 11721/04 vom 11. April 2006 bestätigt diese Rechtsprechung. Mit der Rechtssache Keim gegen Deutschland beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Antrag Nr. 41126/05 versuche ich Deutschland auf den rechten Weg zu bringen. Artikel 46 (1) der EKMR lautet: "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen."

Artikel 19 (2) des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534), der nach Art. 59 (2) GG in ein Bundesgesetz transformiert wurde enthält neben der Meinungsfreiheit die Freiheit "(sich) Informationen ... zu beschaffen" ("to seek information").

(2) Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugehen.

Im Bericht des UNHCR-Special Rapporteur, Mr. Abid Hussain, "Promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression", E/CN.4/1998/40, speziell Part III. A. The right to seek and receive information, fordert die Informationsfreiheit (inklusive Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) als Voraussetzung für die Meinungsfreiheit.

Dass sich das Recht auf die Informationssuche und -zugang auch auf Behörden bezieht, zeigt sich in folgendem UN-Bericht (UN Doc. E/CN.4/1999/64) von 1999. Darin heißt es eindeutig:

"[T]he Special Rapporteur expresses again his view, and emphasizes, that everyone has the right to seek, receive and impart information and that this imposes a positive obligation on States to ensure access to information, particularly with regard to information held by Government in all types of storage and retrieval systems - including film, microfiche, electronic capacities, video and photographs - subject only to such restrictions as referred to in article 19, paragraph 3, of the International Covenant on Civil and Political Rights."

Die Ausnahmen in Artikel 19 (3) IPbürgR rechtfertigen in keiner Weise Beschränkungen, die diesen Antrag betreffen:

Die Ausübung der in Absatz 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind

a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer;
b) für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit.

Dies ist der Hintergrund, dass die UN, OSZE und AOS Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004 bestätigen, dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist:

The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.

Die deutsche Verwaltung und der deutsche Rechtsanwender ist über Art. 20 Abs. 3 GG ("die vollziehende Gewalt und Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden") an die transformierten Vorschriften des Völkerrechts gebunden. Aus der Vorschrift folgt übrigens auch die Pflicht, sich mit Inhalt und Auslegung dieser Vorschriften vertraut zu machen. Gem. Art. 19 Abs. 4 GG steht außerdem jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Dies gilt nicht nur für Verletzungen der Grundrechte, sondern für alle in der deutschen Rechtsordnung geschützten Rechte. Somit erfasst die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auch Fälle, in denen der Staat unmittelbar wirksame internationale Menschenrechtsnormen verletzt, die gem. Art. 59 Abs. 2 Bestandteil des innerstaatlichen Rechts sind.

Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft". Ich hoffe das Innenministerium bietet die Gewähr dafür sich jederzeit für die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten einzusetzen.

In der EU wird sich die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (siehe COM(2005)280) der fundamentalen Rechte annehmen. Der Europarat arbeitet an einer bindenden Konvention zum Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat schon öfters Resolutionen verabschiedet in denen Länder aufgefordert wurden Informationsfreiheitsgesetze zu verabschieden.

In mehr als der Hälfte der mehr als 65 Staaten mit Informationsfreiheitsgesetzen ist die Informationsfreiheit auch in der Verfassung verankert. In mehr als 25 Ländern werden solche Gesetzentwürfe diskutiert. Darüber hinaus haben ca. 40 Staaten entsprechende Verfassungsgarantien ohne konkrete gesetzliche Ausformung. Auch in Deutschland war im Jahre 1993 in der Verfassungskommission von Bund und Ländern im Zuge der Diskussion um eine Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Wiedervereinigung dafür schon eine Mehrheit vorhanden, allerdings wurde die notwendige zweidrittel Mehrheit damals noch nicht erreicht (BT Drucksache 12/6000, Kapitel 3.4). Im Grundrechte-Report 2006 ist Transparenz nach dem (Bundes-)Informationsfreiheitsgesetz aufgenommen.

Nachdem der Bundestagspräsident am 22.12.04 meine Petition über Informationsfreiheit (Anlage 2) an den Bundeskanzler zur Berücksichtigung übersandt hat wurde vom Bundestag ein Informationsfreiheitsgesetz beschlossen, obwohl die Bundesregierung dagegen war. Danach waren 12 Petitionen an Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze (Anlage 3) zu schreiben. Sowohl Hamburg (am 29.3.06) als auch Bremen (11.5.06), Saarland (Drucksache 13/758, 1.2.06) und Mecklenburg-Vorpommern (erste Lesung 8.3.06) haben Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet. Damit haben 8 von 16 Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet.  

Sowohl der Petitionsausschuss von Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Rheinland-Pfalz als auch das Innenministerium in Hessen und Bayern haben mir diese Stellungnahmen der Ministerien zukommen lassen.

Eine positive Antwort auf dieses Schreiben kann deshalb das Sozialministerium auf Bürger- und Menschenrechte der zivilisierten Welt und die Zukunft vorbereiten, obwohl die Mehrheit der Landesparlamentarier gar nichts taugen. Für einen entschlossenen Bürger im europäischen Raum der Freiheit ist nicht nachvollziehbar warum das nicht gelten soll, da ja auch § 29 des Verwaltungsgesetzes die Akteneinsicht sichert.

Selbst wenn normalerweise Stellungnahmen des Innenministeriums geheim bleiben ist nicht einzusehen, warum das auch für eine Stellungnahme, die eine Petition über die Informationsfreiheit betrifft so sein muss.

Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft", was ich bei der Frage der Einsichtsgewährung bitte zu berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen 

Walter Keim
Informationsfreiheitsgesetz ohne Wenn und Aber: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-anhoerung.htm
Wer lädt den Menschenrechtsbeauftragten des Europarats nach Deutschland ein:
http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm 
Wird die OSZE die Informationsfreiheit fördern? :
http://wkeim.bplaced.net/files/osce-050106.htm

Kopie: Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), Kopien an 8 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze

Anlage:

  1. Landtag Baden-Württemberg pflichtgemäßes "ermessensfehlerfreie" Entscheidung: http://wkeim.bplaced.net/petition_bw.htm#antwort
  2. Bundestagspräsident sendet am 22.12.04 meine Petition über Informationsfreiheit an den Bundeskanzler: http://wkeim.bplaced.net/files/041222btp.pdf
  3. Petitionen an 12 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze: http://wkeim.bplaced.net/files/petition_bl.htm
  4. Hans-Dieter Laser: Erlass einer Informationsfreiheitssatzung durch Kommunen: Kommunal Praxis BY: Ausgabe 4/2006, Seite 126/127: http://www.informationsfreiheit.org/docs/erlassinfosatzung.pdf
  5. 10. July 2006: Sdruženi Jihoceské Matky v. Czech Republic, Application no. 19101/03 , Decision of  ECHR Admissibility of Access to information.http://merlin.obs.coe.int/iris/2006/9/article1.en.html
  6. 11. April 2006: GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Application no. 11721/04.  ECHR decision to communicate freedom to receive information case to Armenia.

 

Antworten:

 

 

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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

 

Informationsfreiheitgesetze in Deutschland

 

Informationsfreiheit in Europa