in
        English on same subject:
        http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-5-laender-en.htm 
    Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
    
    Torshaugv. 2 C 
    N-7020 Trondheim, den 10.10.2012 (Menschenrechtstag)
    
    An den Petitionsausschuss des 
    Landtages von Baden-Württemberg 
    Haus des Landtages 
    Konrad Adenauer Str. 3 
    D-70173 Stuttgart
    
    Kopie: Innenminister
      Gall, Ministerpräsident Kretschmann
    
    Petition 15/2078: Dem Aufstand der Amtsschimmel mutig begegnen, eigenes IFG
    vorschlagen und verabschieden
    
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    
    die Bürger haben aufgrund fehlender Informationen arge Probleme damit, die
    Organisationsstruktur und die Entscheidungen von Behörden und politischen
    Stellen nachzuvollziehen. Im derzeit gültigen Koalitionsvertrag
    von Baden-Württemberg kündigte Rot-Grün an, allen einen freien Zugang „zu
    den bei den öffentlichen Verwaltungen vorhandenen Informationen“ zu
    verschaffen. 
    
    Nach gewonnener Wahl im Frühjahr 2011 sollten die Bürger Baden-Württembergs
    „schon bald umfassenden Einblick in Verwaltungsvorgänge“ bekommen. Ein
    Gesetzentwurf für das Jahr 2011 angekündigt worden (10).
    Grüne und SPD wollten das im Koalitionsvertrag vorgesehene
    Informationsfreiheitsgesetz (IFG) „rasch“ auf den Weg bringen. Erst sollte
    die "Evaluation
      des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes
    abgewartet werden, die am 22.5.2012 abgeschlossen wurde. Danach wurde ein
    Entwurf für Ende 2012 angekündigt.
    
    Nun soll der Gesetzentwurf nach aktueller Mitteilung im Juni 2013 (!), also
    zwei Jahre nach den vollmundigen Ankündigungen, „aller Voraussicht nach“
    vorgelegt werden. Und der Stand der Angelegenheit? Dazu erfährt man nichts.
    „Haben Sie bitte Verständnis, dass wir Ihnen über Einzelheiten vorab keine
    Auskünfte erteilen“, erfährt man aus der grünen Landtagsfraktion (Anlage
      A).
    
    Beginnt hier, was im Bund in den Jahren 1998 bis 2004 auch geschah?: Trotz
    Koalitionsvertrag erarbeitete die Ministerialbürokratie keinen
    Gesetzentwurf, der in den Bundestag eingebracht wurde. Die "Zeit" nannte das
    den "Aufstand der Amtsschimmel" (Anlage
      B).
    Die Lösung dieses Problems war, dass die Parlamentsfraktionen der
      regierenden Koalitionsparteien ihren eigenen Gesetzesentwurf erarbeiteten
      und verabschiedeten. Das gleiche geschah in den Bundesländern
      Schleswig-Holstein, Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen.
    
    Deshalb müssen die Parlamentsfraktionen in Baden-Württemberg das selber in
    die Hand nehmen, um dieses in der Demokratie essentielles Menschenrecht (Quelle 1) zu verwirklichen.
    Verwaltungen in aller Welt wollen sich nicht gerne in die Karten schauen
      lassen und versuchen deshalb die allgemeine Akteneinsicht zu erschweren.
      Dabei beziehe ich mich auch auf mehr als 240
        Jahre Erfahrung mit der Informationsfreiheit in Schweden. Trotzdem
      hat die schwedische Verwaltung ihren Widerstand
      nicht aufgegeben. Das schwedische Parlament kommt zum Ergebnis, dass
        man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich
      abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und
      die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht
      nachgegeben wird". Deshalb muss die schwedische Verwaltung Aktenpläne mit
      allen Dokumenten herausgegeben, die kostenlose Antwort mit den gewünschten
      Dokumenten sollte innerhalb 24 Stunden gegeben werden (Quelle
        9).
    
    Mehr als 120 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/)
      mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern d. h. 84 % der Weltbevölkerung
      haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende
      Verfassungsbestimmungen. Das Menschenrecht des Informationszugangs wird
      international als Voraussetzung einer Demokratie anerkannt. In Europa
      fehlt im Wesentlichen nur Weißrussland und 5 Bundesländer. In der Welt
      fehlen hauptsächlich Staaten in Afrika und dem Nahen Osten. Die meisten
      Bewohner von Bananenrepubliken haben solche Rechte.
      
      Schweden hat als erster skandinavischer Staat vor mehr als 240 Jahren den
      Informationszugang "erfunden". Folgende Bestimmungen sorgen in
      Skandinavien für rasche kostenlose Akteneinsicht innerhalb von Tagen:
      
    
    
      -  Unter Berücksichtigung des Datenschutzes sind Beschreibungen aller (2,5
          Millionen) Dokumente der norwegischen Staatsverwaltung der letzten
        2 Jahre suchbar (siehe Anlage C: oep.no 
        ) im Internet veröffentlicht. Journalisten hatten diese Möglichkeit
        schon seit mehr 15 Jahren.
 
      -  Der Antragsteller sucht, findet und bestellt elektronisch die
        Dokumentnummer, die Behörde hat wenig Arbeit das innerhalb von 1 bis 3
        Tagen elektronisch zuzusenden. Das kostet nichts. 
 
      -  Diese Vereinfachung für Antragssteller und Verwaltung trägt Früchte:
        ca. 3 385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (Quelle
          8). In Deutschland werden weniger als 4 Anfragen pro 100.000
        Einwohner pro Jahr bearbeitet. 
 
      -  In Schweden werden Aktenpläne mit allen Dokumenten herausgegeben, die
        kostenlose Antwort mit den gewünschten Dokumenten sollte innerhalb 24
        Stunden gegeben werden. 99 % der Antragsteller sind Journalisten (Quelle
          9). Norwegen operiert mit 1 bis 3 Tagen Antwortfrist. Nach 5
        Arbeitstagen kann wegen Untätigkeit beim (kostenlosen) Ombudsmann
        geklagt werden. 
 
    
     
    Internationale Normen der maximalen Offenheit, rascher Antworten und
      niedriger Kosten werden mit dem IFG des Bundes so verwirklicht, dass 88
        Staaten mit ca. 5,5 Milliarden d. h. 78 % der Bürger auf der Welt
      haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund
      (http://www.rti-rating.org/country-data/).
      Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben
      schlechtere Informationsfreiheitsgesetze.
    Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines
      Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den
      Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis
      auf OSZE, Zivilpakt und EGMR (siehe Quelle
        1: "International documents (...) state that access to information
      is a fundamental human right and an essential condition for all democratic
      societies."). 
      
      Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist ein Menschenrecht
      gemäß Zivilpakt [Quelle
        2, 5, 6] und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für
      Menschenrechte [Quelle 7] aufgrund der Europäischen Konvention für
      Menschenrechte (EKMR) [Quelle
        3], wird international als Voraussetzung für die Demokratie
      angesehen und ist wichtig im Kampf gegen Korruption.
      
      Die drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der
      Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004,
      dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist: [Quelle
        4]:
    
    „Zugang zu Informationen der Behörden ist ein
        fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine
        umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der
        größtmöglichen Offenlegung basiert."
    
    Ich schlage vor dem Aufstand der Amtsschimmel mutig zu begegnen und ein
    eigenes IFG einbringen und verabschieden.
    
    Der Vorschlag eines Bürgerinformationsgesetzes der Zivilgesellschaft ist ein
    "Akt zivilgesellschaftlicher Notwehr" (Anlage
      D) ist sehr gut geeignet das zu verwirklichen. Suttgart21leaks.tk
    dokumentiert, dass Offenheit und Transparenz bei Stuttgart 21 gefehlt hat.
    
    Auch in Hamburg hat das Bündnis "Transparenz schafft Vertrauen" eine
    Volksinitiative auf den Weg gebracht, die von der Bürgerschaft weitgehend
    übernommen wurde ein sehr fortschrittliches Transparenzgesetz mit proaktiven
    Veröffentlichungen durchgesetzte (Anlage
      E).
    
    Mit Abgeordnetenwatch Baden-Württemberg wurde Innenminister
      Gall am 12.12.2011 vorgeschlagen internationale Standards beim
    Ausarbeiten des IFG zugrunde zu legen. Da Innenminister Gall nicht
    antwortete wurden im November 2012 die Fraktionsvorsitzenden der CDU,
    FDP,
    Grüne
    und SPD
    befragt. Die FDP antwortete Ende Januar einen Gesetzentwurf für ein IFG
    vorzulegen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen "geh(t) fest davon aus, dass
    das Innenministerium die Zusage einhalten wird, Mitte 2013 einen dem
    Koalitionsvertrag entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen." 
    
    Es liegt in Ihrer Hand meine sehr geehrten Damen und Herren Volksvertreter
    das Menschenrecht des Informationszugangs zu verwirklichen: Sie haben in der
    Demokratie die Macht nicht die Amtsschimmel, die das dauernd hinausschieben
    und nicht hin bekommen wollen.
    
    Mit freundlichen Grüßen
    
    --
    Walter Keim
    Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
    UN Universal Periodic Review (UPR): http://wkeim.bplaced.net/files/foi-upr-de.htm
    
    Will OSCE Support the Human Right of Access to Information in Germany by
    Commenting ATI Laws: http://t.co/GmQy9V0U
    
    
    Kopie: Fraktionen im Landtag Baden-Württemberg,
    Landespressekonferenz, Deutscher Journalisten-Verband (DJV),
    Abgeordnetenwatch Baden-Württemberg: CDU,
    Innenminister,
    FDP,
    Grüne,
    MdB
      Sckerl und SPD.
    
    Quellen:
    
      - OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO
        INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
 
      - Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
 
      - Zugang zu amtlichen Dokumenten in Europäischer Konvention für
        Menschenrechte: https://www.right2info.org/international-standards#section-5
 
      - Gemeinsame Erklärung 2004 der drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und
        AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
 
      - "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler
        Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm
        (Deutsch: http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1)
 
      - Klagen bei den VN gegen Staaten, die gegen das Menschenrecht des
        Zugangs zu amtlichen Dokumenten verstoßen: http://right2info.org/cases#section-6
 
      - Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: http://right2info.org/cases#section-2
 
      - 2011 Norwegen: 3 385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr: http://wkeim.bplaced.net/files/Norway_number_of_requests.html
        
       
      - Monica Broschard: Deutschlands Weg zur Informationsfreiheit –
          Entwicklungsgeschichte, Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes-
          und Länderebene. Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003: ftp://ftp.zew.de/mbr/ma2003c-hauptband_zew.pdf
        Anhang 5: Exkurs
          in die schwedische Verwaltungspraxis in Monica Broschard: Deutschlands
          Weg zur Informationsfreiheit – Entwicklungsgeschichte,
          Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes- und Länderebene.
        Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003  
      - MdL Sckerl kündigt 07.07.2011
        an, dass noch 2011 ein Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wird.
 
    
    
    Internet:
    
    Antworten:
    
    Entwicklung:
    
    
    
     [Informationsfreiheit]    [Petitionen]     [Menschenrechtsverletzungen in
        Deutschland]    
      [Zur Homepage] 
    
    Anlage: CDU/CSU regierte Bundesländer sind der Schandfleck
        bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün:
        Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit
        nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access
          to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.
    
    
     
    