Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich (BVerfGE 40, 296 <327>)

Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert".
UN, OSZE und OAS Sonderbeauftragte für den Schutz der Meinungsfreiheit 2004


Englishin English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-5-laender-en.htm

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Almbergskleiva 64
NO-6657 Rindal, den 4.10.2013


Innenministerium
des Landes Baden-Württemberg
Postfach 102443
D-70020 Stuttgart

Kopie: Landespressekonferenz, Innenminister Gall, Ministerpräsident Kretschmann, Deutsche Liga für Menschenrechte e.V., Internationale Liga für Menschenrechte, Amnesty und das Deutsche Institut für Menschenrechte

Betreff: Wird das IFG internationale Mindestanforderungen des Menschenrechts Informationszugang erfüllen? 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,  

Die Akteneinsicht der Antwort zur Petition 15/2078 (Anlage 1) wurde am 23.5.2013 (Anlage 2) im Wesentlichen so beantwortet:

"Nach Prüfung ihrer Ausführungen besteht nach derzeitiger Rechtslage in Baden-Württemberg kein Rechtsanspruch auf Übersendung der von Ihnen erbetene Stellungnahme."

Damit wird der Menschenrechtscharakter des Zugangs zu amtlichen Dokumenten aufgrund Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EKMR) und Artikel 19 (2) Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt) bestritten. Wird das einen fehlerhaften Vorschlag für ein IFG nach sich ziehen?

Nach gewonnener Wahl im Frühjahr 2011 sollten die Bürger Baden-Württembergs „schon bald umfassenden Einblick in Verwaltungsvorgänge“ bekommen (Anlage F). Grüne und SPD wollten das im Koalitionsvertrag vorgesehene Informationsfreiheitsgesetz (IFG) „rasch“ im Jahre 2011 auf den Weg bringen. Dann sollte die "Evaluation des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes abgewartet werden, die am 22.5.2012 abgeschlossen wurde. Danach wurde ein Entwurf für Ende 2012 angekündigt.

Im Herbst 2012 sollte der Gesetzentwurf noch im Juni 2013, also zwei Jahre nach den vollmundigen Ankündigungen, „aller Voraussicht nach“ vorgelegt werden. Nun ist vom Ende 2013 die Rede.

Von der Zivilgesellschaft (G) wurde am 6.6.2013 von Netzwerk Recherche der  Gesetzentwurf für ein Transparenzgesetz für Baden-Württemberg präsentiert (Anlage 3). Die österreichische Initiative Transparenzgesetz.at wird sowohl von der Österreichischen Liga für Menschenrechte, Amnesty Österreich als auch dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte unterstützt. Deshalb geht eine Kopie dieses Briefes auch an die Deutsche Liga für Menschenrechte e.V., Internationale Liga für Menschenrechte, Amnesty und das Deutsche Institut für Menschenrechte (Anlage 4).

Die deutsche Presse, größter Versager in der zivilisierten Welt, hat mit wenigen Ausnahmen die Öffentlichkeit einer Gehirnwäsche ausgesetzt, dass Akteneinsichtsverweigerungen und fehlende IFG normal seien. Deshalb geht auch eine Kopie an die Landespressekonferenz mit der Aufforderung aufzuwachen. Deutsche NGOs sollten sich getrauen einer gehirngewaschen Öffentlichkeit den Informationszugang als Menschenrecht zu präsentieren, damit die Wähler nicht mehr die Transparenzverweigerer der CDU/CSU wählen.

Legt man internationale Mindeststandards maximaler Offenheit, rascher Antwort und geringer Kosten beim Menschenrecht Informationszugang zugrunde haben 88 Saaten mit ca. 5,5 Milliarden, d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/). Deshalb ist für den Vorschlag eines IFG für Baden-Württemberg eine Orientierung am IFG des Bundes nicht ausreichend.

In Norwegen werden schnelle kostenlose Antworten so umgesetzt:

Der Ministerpräsident leitete am 02.04.2013 eine Aufforderung "Mut und Wille zum Informationsfreiheitsgesetz um Glaubwürdigkeit zu stärken" (5) an das Innenministerium weiter.

Die neueste Entscheidung des des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte YOUTH INITIATIVE FOR HUMAN RIGHTS v. SERBIA (Application no. 48135/06) vom 23.6.2013 nimmt Bezug auf den Zivilpakt und gemeinsame Erklärung der UN, OSZE und AOS Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit vom 6.12.2004 (Anlage 14, 15).

Die UN, OSZE und AOS Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist: (Anlage 8):

„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."

Dies wird auch im "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt) bestätigt (Anlage 9):

"18.   Article 19, paragraph 2 embraces a general right of access to information held by public bodies. Such information includes all records held by a public body, regardless of the form in which the information is stored, its source and the date of production."
"19.   (...) States parties should also enact the necessary procedures, whereby one may gain access to information, such as by means of freedom of information legislation."

Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist nun ein anerkanntes Menschenrecht gemäß Zivilpakt [6, 9, 10, 13] und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [11] aufgrund der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EKMR) [7, 16], wird international als Voraussetzung für die Demokratie angesehen und ist wichtig im Kampf gegen Korruption [12].

125 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen und damit bessere generelle Einsichtsrechte (über den Anwendungsbereich von Verbraucherinformation und Umweltinformation hinaus) als Baden-Württemberg.

Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und durch international anerkannte Menschenrechte d. h. Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt, BGBl. 1973 II S. 1534) und Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (BGBl. 1952 Teil II S. 685) geschützt, der nach Art. 59 (2) GG in ein Bundesgesetz transformiert wurden (Anlage B).

Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte schützt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit (11). Folgende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Zugang zu amtlichen Dokumenten liegen vor:

Die Bundesregierung hat dem Menschenrechtskommissar versichert, dass der Rang des EMRK berücksichtigt wird (Anlage A). Der Menschenrechtskommissar hat mit Bedauern festgestellt, dass Menschenrechte nicht im Kernbereich der Juristenausbildung vertreten ist. Deshalb wurde vorgeschlagen, Verwaltung und Richter in Menschenrechten zu schulen.

Die Antworten Baden-Württembergs werden auch in einen Brief an den Menschenrechtskommissar einfließen, der die Behandlung seiner Vorschläge betrifft (Anlage E).

Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft", was ich bei der Erarbeitung eines IFG bitte zu berücksichtigen. Ich hoffe das Innenministerium Baden-Württemberg bietet die Gewähr dafür sich zukünftig jederzeit für die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Walter Keim

Kopie: Landespressekonferenz, Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), 4 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze, Fraktionen Landtag Baden-Württemberg

Anlagen:

  1. 07.05.2013: Akteneinsicht in die Antwort des Innenministeriums auf Petition 15/2078: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-einsicht-bw2.html
  2. Innenministerium gewährt Akteneinsicht, lehnt Menschenrecht Zugang zu amtlichen Dokumenten ab: http://wkeim.bplaced.net/files/130623bw.pdf
  3. 06.06.2013: Informationsfreiheit: Netzwerk Recherche präsentiert Gesetzentwurf für Baden-Württemberg. Abschied vom Amtsgeheimnis ist auch in Baden-Württemberg überfällighttp://www.netzwerkrecherche.de/Projekte/Infofreiheitsgesetz-IFG/Transparenzgesetz-Baden-Wuerttemberg/
  4. 12.09.2013: Österreichisches Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte unterstützt Transparenzgesetz: http://wkeim.bplaced.net/files/if-dimr.html
  5. 21.03.2013: An den Ministerpräsident von Baden-Württemberg: Mut und Wille zum Informationsfreiheitsgesetz um Glaubwürdigkeit zu stärken: http://wkeim.bplaced.net/files/130321bw.html
  6. Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
  7. Zugang zu amtlichen Dokumenten in Europäischer Konvention für Menschenrechte: https://www.right2info.org/international-standards#section-5
  8. Gemeinsame Erklärung 2004 der drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
  9. "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm (Deutsch: http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1)
  10. Klagen bei den VN gegen Staaten, die gegen das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten verstoßen: http://right2info.org/cases#section-6
  11. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: http://right2info.org/cases#section-2
  12. OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
  13. Allgemeine Kommentar (Nr. 34) des Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen am 21. Juli 2011 zu Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR): http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1 (Das Recht auf Zugang zu behördlichen Informationen wird detailliert betrachtet; um diesem Recht Nachdruck zu verleihen, werden Staaten ermutigt, „staatliche Informationen von öffentlichem Interesse proaktiv öffentlich zu machen“. Staaten sollten ebenfalls „alle Anstrengungen unternehmen, einen einfachen, schnellen, effektiven und praktikablen Zugang zu solchen Informationen sicherzustellen (z. B. mit Hilfe von Informationsfreiheitsgesetzen)“.)
  14. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (25.6.2013): CASE OF YOUTH INITIATIVE FOR HUMAN RIGHTS v. SERBIA (Application no. 48135/06) nimmt Bezug auf den Zivilpakt und gemeinsame Erklärung der UN, OSZE und AOS Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit vom 6.12.2004: http://merlin.obs.coe.int/iris/2013/8/article1
  15. Partsch, Christoph, Die Entwicklung eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs in der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK, AFP 2013, 214-215 und NJW Heft 39/2013
  16. Öffentliche Anhörung Evaluierung Informationsfreiheitsgesetz (24.09.2012): Dr. Christoph Partsch, Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit e. V., Berlin - Ausschussdrucksache 17(4)573 C

Antworten:

Anlagen im Internet publiziert:
  1. Pressemitteilung des Europarates 11.7.07: Bericht des Menschenrechtskommissars Thomas Hammarberg über seinen Besuch in Deutschland 9. – 11. und 15. – 20. Oktober 2006: http://wkeim.bplaced.net/files/Bericht-des-Menschenrechtskommissars.html, https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?Ref=CommDH(2007)14&Language=lanGerman  Deutsche Institut für Menschenrechte mit der Beobachtung der Menschenrechte in Deutschland beauftragen, nationalen "Aktionsplan Menschenrechte" entwickeln.
  2. Tabellarische Übersichten: Menschenrecht Informationszugangsfreiheit im Bundesgesetzblatt (BGBl.): http://wkeim.bplaced.net/IFG.htm#Europarat
  3. EGMR Beschwerde Nr. 37374/05 TÁRSASÁG A SZABADSÁGJOGOKÉRT ./. Ungarn vom 14.4.2009: http://merlin.obs.coe.int/iris/2009/7/article1 
  4. EGMR: Kenedi ./. Hungary Beschwerde Nr: 31475/05 vom 26.5.2009: http://merlin.obs.coe.int/iris/2009/7/article104
  5. 25.02.2012: Brief an den Menschenrechtskommissar des Europarates über Ablehnung seiner Vorschläge durch Petitionsausschüsse: http://wkeim.bplaced.net/coe_resultat.ht
  6. MdL Sckerl kündigt 07.07.2011 an, dass noch 2011 ein Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wird.
  7. Ole Reißmann (06.06.2013): Baden-Württemberg: Journalisten schreiben Transparenzgesetz ("gesellschaftliche Notwehr"): http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/baden-wuerttemberg-soll-transparenter-werden-a-904082.html

Internet:



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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

Informationsfreiheitgesetze in Europa

 

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