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Hessen wendet sich gegen den Gedanken des "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" in Europa (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte COM(2005)280).

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 10. August 2006


Hessischer Landtag                                  Hessischer Ministerpräsident Roland Koch
Landtagspräsident                                    Georg-August-Zinn-Str. 1
Schlossplatz 1-3                                      D-65183 Wiesbaden
D-65183 Wiesbaden




Betreff: Die Regierung und Landtagsmehrheit in Hessen bietet nicht die Gewähr dafür sich jederzeit für das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzusetzen   

Sehr geehrte Damen und Herren,  

Ich beziehe mich auf die Antwort des Hessischen Innenministeriums vom 20.4.06, dass ein Informationsfreiheitsgesetz für Hessen abgelehnt wird, meine Antwort vom 2.5.06 und den Beschluss des Hessischen Landtag vom 21.6.06 die Petition 04653/16 über Informationsfreiheit nicht zu behandeln.

Die Informationsfreiheit macht das Verwaltungshandeln transparenter, indem Bürger Zugang zu behördlichen Dokumenten und Informationen bekommen. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger werden gestärkt gemäß dem Leitprojekt des Programms Moderner Staat - moderne Verwaltung unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Dieses Bürger- und Menschenrecht wird im Informationszeitalter als Teil der Demokratie verstanden und ist in über 65 Staaten der Welt verwirklicht. In mehr als der Hälfte dieser Staaten z. B. Brandenburg (Art. 21 (4)) ist dieses Grundrecht in der Verfassung verankert.

Hessen war ein Pionier beim Datenschutz. Der erste Datenschutzbeauftragte Professor Simitis entwickelte in den 70-Jahren auch den Gedanken, dass der Bürger nicht nur Zugang zu seinen eigenen Daten haben sollte (informationelle Selbstbestimmung) sondern auch Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung. Das folge daraus, dass die Meinungsfreiheit zuverlässige Informationen bedürfe (Anlage 4). Dies hat sowohl das höchste Gericht in Indien, Japan und Südkorea so gesehen und den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung aus der Meinungsfreiheit hergeleitet. Auch der jetzige Datenschutzbeauftragte in Hessen schlägt ein Informationsfreiheitsgesetz vor (Kapitel 2.1.2.2), "dass das Land Hessen wieder Anschluss an die Spitzengruppe der Länder findet, die den freien Informationszugang gewährleisten".

Hessen hat 1993 den Vorschlag gemacht, den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung im Grundgesetz zu verankern. Dieser Vorschlag hat in der Verfassungskommission von Bund und Ländern im Jahre 1993 im Zuge der Diskussion um eine Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Wiedervereinigung schon eine Mehrheit erreicht, allerdings wurde die notwendige zweidrittel Mehrheit damals noch nicht erreicht (BT Drucksache 12/6000, Kapitel 3.4).

In Deutschland wurden die ersten Informationsfreiheitsgesetze 1998 in Brandenburg, 1999 in Berlin, von 2000 an in Schleswig-Holstein und 2002 in Nordrhein-Westfalen verabschiedet.

Im Bund wurde ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) seit 1998 von den von der Wählermehrheit getragenen Koalitionsparteien versprochen. Durch den "Aufstand der Amtsschimmel" wurde die Ausarbeitung des Gesetzes 7 Jahre lang verzögert. Die Koalitionsparteien haben dieses Gesetz deshalb selber erarbeitet und am 17. Dezember 2004 (BT Drs. 15/4493) in den Bundestag eingebracht. Der Bundestagspräsident hat meine Petition über Informationsfreiheit nach 3 Jahren am 22.12.03 an den Bundeskanzler zur Berücksichtigung überwiesen. Am 3.6.05 wurde das Gesetz im Bundestag beschlossen (Plpr 15/179). Dieses Gesetz ist nur für die Bundesverwaltung und daher nicht zustimmungspflichtig. Am 8.6.05 hat der Bundesrat keinen Einspruch gegen dieses Gesetz erhoben, das am 1.1.2006 in Kraft trat.

Am 20.9.05 schrieb ich eine Petition an 12 Bundesländer mit dem Vorschlag dem Menschenrecht der Informationsfreiheit durch Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes Rechnung zu tragen. Im Jahre 2006 verabschiedeten Hamburg (29.3.06), Bremen (11.5.06) und Mecklenburg-Vorpommern (27.6.06, Drucksache 4/2117) und das Saarland (12.7.06, Drucksache 13/758) Informationsfreiheitsgesetze.

Deutschland ist aber immer noch in 8 Bundesländern: Sachsen-Anhalt, Sachsen (Opposition positiv), Hessen, Bayern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Thüringen (d. h. mehr als 60 % der Bevölkerung) fast das einzige bedeutende Land der EU, Europas, der OSZE, der OECD sowie aller entwickelten zivilisierten Länder ohne Informationsfreiheitsgesetz in Gemeinden, Kreisen und Landesebene.

Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt. Diesem Pakt ist Deutschland beigetreten, verletzt ihn aber bisher in 8 Bundesländern.

Die UN, OSZE und AOS bestätigten in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten ein Menschenrecht ist:

The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.

Ich begrüße, dass die OSZE sich auf die Informationsfreiheit konzentriert und alle OSZE Staaten einschließlich Deutschland beobachten wird. Auch der Europarat wird im Zusammenhang mit einem Besuch des Menschenrechtsbeauftragten in Deutschland im Jahre 2005: http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm und eines Surveys über Informationsfreiheit Deutschland beobachten. Der Europarat hat außerdem die Empfehlung Rec (2002) 2 des Ministerausschusses an die Mitgliedstaaten zum Zugang zu amtlichen Dokumenten (Anlage 2) gegeben und arbeitet an einer bindenden Konvention über die Informationsfreiheit (Anlage 3).

In Schleswig-Holstein haben die 2 Abgeordneten der dänischen Minderheit trotz der Untätigkeit der Regierung schließlich eine Mehrheit dafür bekommen. Auch in Berlin im Bund und in Hamburg wurde trotz des Widerstandes der Verwaltung und der Regierungen die Informationsfreiheit durch das Parlament beschlossen. Aber Hessen ist unfähig seinen Bürgern dieses Grund- und Menschenrecht zu geben.

Überall in Europa zuletzt in Nordrhein-Westfalen (2001 mit den Stimmen der CDU), der Türkei (2003), Schweiz (2004), Serbien (2004), Bremen (2006 CDU/SPD Koalition), Hamburg (2006, CDU Fraktion) und Saarland (2006, CDU Regierung) haben auch konservative Parteien bei der einstimmigen Verabschiedung mitgewirkt und zumindest nicht gegen das Bürger- und Menschenrecht der Informationsfreiheit gestimmt.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch brüstet sich zu Unrecht: "Wir haben Hessen im Bereich der Modernisierung von Verwaltung und des Schaffens moderner Strukturen an die Spitze in Deutschland geführt" und ist blind und taub gegenüber modernen Bürgerrechten und zeitgemäßem Demokratieverständnis. Nachdem nun schon alle Balkanstaaten Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet haben, sind nun auch schon viele Bananrepubliken und Staaten Afrikas weiter als Hessen.

Die Regierungen und Landtagsmehrheiten in Hessen bietet nicht die Gewähr sich jederzeit für das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzusetzen und sind Schandflecken unter den zivilisierten Ländern.

Das ist besonders peinlich, weil Hessen einst ein Pionier auf diesem Gebiet war und offenbar von der arroganten CDU Alleinregierung zum Schlusslicht heruntergewirtschaftet wurde.

Mit freundlichen Grüßen 

Walter Keim

Wer lädt den Menschenrechtsbeauftragten des Europarats nach Deutschland ein: http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm 
Wird die OSZE die Informationsfreiheit fördern? :
http://wkeim.bplaced.net/files/osce-050106.htm

Kopie: Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), EU Commission, EU Parliament, EU Council, Grundrechteagentur, Council of Europe, OSCE, OECD, PACE und UN

 

Anlage:

  1. Menschenrechtsverletzungen Deutschlands: Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Informationsfreiheit und faires Verfahren: http://wkeim.bplaced.net/files/de_menschenrechte.htm
  2. Empfehlung Rec (2002) 2 des Ministerausschusses des Europarates an die Mitgliedstaaten zum Zugang zu amtlichen Dokumenten: http://www.fr.ch/ofl/de/cst2004/empf_2002_2.pdf
  3. Access Info Europe: Bindende Konvention für den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung (Development of a Binding Treaty on the Right of Access to Official Documents): http://www.access-info.org/?id=12
  4. Spiros Simits, in: Ders. u.a., Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, Baden-Baden, 4. Aufl., Stand Dezember 1998, § 1, Rdnr. 168–170. – Vgl. bereits Hans-Ullrich Gallwas, Der allgemeine Konflikt zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Informationsfreiheit, NJW 1992, S. 2785–2790:

"Eine verfassungsrechtliche Regelung, die sich an der Bedeutung des informationellen Selbstbestimmungsrechts für die Kommunikationsfähigkeit des einzelnen orientiert, bleibt solange unvollständig, wie sie nicht auch das Recht auf Zugang zu den Daten der öffentlichen Verwaltung garantiert, zumal nur auf diese Weise die Voraussetzung für eine sorgfältig abgestimmte, den Schutz jeder der in Betracht kommenden Grundrechte konkretisierende gesetzliche Regelung geschaffen werden kann."

  1. Spiros Simitis: Die informationelle Selbstbestimmung – Grundbedingung einer verfassungskonformen Informationsordnung. In: Neue Juristische Wochenschrift 1984, S. 398-405.

 

Entwicklung:

 

Materialien: Hamburg (29.3.06), Bremen (11.5.06) und Mecklenburg-Vorpommern (27.6.06, Drucksache 4/2117) und das Saarland (Drucksache 13/758) verabschiedeten IFG Gesetze.

Negativ von: Sachsen-Anhalt, Landtagsmehrheit in Sachsen (Opposition positiv), Hessen (lässt zwar neue Petition zu lehnt aber Behandlung ab), Bayern, Niedersachsen und Thüringen. 8 Bundesländer setzen also die Verletzung des Menschenrechtes der Informationsfreiheit fort.

 

Entwicklung:

 

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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

Informationsfreiheitgesetze in Deutschland

Informationsfreiheitgesetze in Europa

 

Informationsfreiheit in Europa